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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden130
dritten Punkt verteidigten sie nochmals den Zusatz „auch alle anderen Stän-
de“597. Ferdinand lehnte ihre Anträge sämtlich ab, denn sie erschienen ihm hin-
derlich oder überflüssig. Es bedurfte ressentierter Hinweise, die vom König
bevorzugten Fassungen dienten alle zum Besten der Katholiken und die wegen
des Ritterartikels geäußerten Befürchtungen seien abwegig, bis die katholischen
Stände ihre Einwände am 20. September fallen ließen598, kurz bevor die letzte
Runde mit den Protestanten begann.
Sie bestand nochmals in einem zähen Ringen um einzelne Formulierun-
gen599, denn die Taktik der Protestanten zielte darauf, die Konsequenzen des
Geistlichen Vorbehalts zu entschärfen. Die Richtung wurde im wesentlichen
von Kursachsen gewiesen600. Kurfürst August hatte entschieden, daß der Geist-
liche Vorbehalt als einseitige Setzung des Königs „one vorletzung der gewißen“
hingenommen werden könne, soweit die Prälaten betroffen würden; aber er
problematisierte die Konsequenzen für die Untertanen, denen nun, da die Stifte
katholisch bleiben würden, „nicht alein der weg vorschloßen zu ferner er-
kenthnus des wort gots zu komen“, sondern sie müßten sogar auf Verlangen
des Bischofs, selbst wenn sie schon lange evangelisch wären, „unsere erkanthe
Christliche Religion fallen laßen“, ohne daß man ihnen helfen könne601. Die
Protestanten präsentierten darum nach einem wohl nur als Pflichtübung anzu-
sehenden Vorschlag, die Bestimmung besser außerhalb des Reichstagsabschieds
zu erlassen, sieben Änderungsanträge zur Entlastung ihrer Gewissen. Einige
Wünsche betrafen nur sprachliche Milderungen. Hinter ihrem Ansinnen, in der
Einleitung des Artikels festzuhalten, daß sich die Religionsparteien über diesen
Punkt nicht hätten einigen können und die Setzung kraft königlicher Autorität
auf Bitten der Katholiken erfolgt sei, steckte im Grunde eine „reservatio menta-
lis“. Zwei Punkte waren substantieller Natur: (1) Die in Ferdinands Entwurf
vorgesehene Regel, daß ein konvertierender Prälat durch eine „Person der alten
Religion verwandt“ zu ersetzen sei, sollte die allgemeinere Fassung „eine andere
Person“ erhalten602. (2) Mit der Begründung, es würde den Frieden wieder ge-
fährden, wenn Bischöfe versuchen würden, ihre seit langem evangelischen Rit-
ter und Städte von ihrem Glauben abzudrängen, ersuchten sie um die Aufnah-
me eines Passus in den Artikel über die Geistliche Jurisdiktion, „das dieselbig
jurisdiction nit sollt gebraucht werden wider ire ritterschaft und communen, so
bisher der Augspurgischen Confession gewest“603. Die entscheidende Erklä-
rung war indessen, wenn der König an seiner Resolution festhalte und ent-
schlossen sei, den Artikel in den Reichstagsabschied einzufügen, so wüßten ihre
597 Lutz/Kohler, S. 133f; Bucholtz 7, S. 212f.
598 Passauer Protokoll, fol 185v/186r; Wolf, Religionsfrieden, S. 165; Lutz/Kohler, S. 136f, 139,
142f; Ernst, Bw. 3, S. 331 Anm. 2
599 Ausführlicher Bericht Hornungs bei Lutz/Kohler, S. 143–150
600 Wolf, Religionsfrieden, S. 166; Ernst, Bw. 3, S. 332
601 Ranke, Reformation 6, S. 304f; August hatte dazu ein Gutachten von Melanchthon eingeholt
(Simon, S. 68).
602 Der von den Protestanten gewünschte Wortlaut des Geistlichen Vorbehalts bei Lehmann 1, S. 48
603 Lutz/Kohler, S. 145
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien