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Nachspiel: Ferdinand und das Wormser Religionsgespräch 199
mĂĽsse350. Ferdinand war also ĂĽber taktische Ăśberlegungen der Gegenseite bzw.
eines Teils informiert. – Die Anordnung, das im Reichstagsabschied niederge-
legte Verfahren einzuhalten, sowie die Mahnung, alles fĂĽr den gedeihlichen
Fortgang des Colloquiums zu tun, alle Gehässigkeiten und weitläufige Dispu-
tationen zu unterbinden, waren Selbstverständlichkeiten. Bei nicht vorhergese-
henen Problemen, die deshalb im Abschied nicht geregelt waren, sollte der Prä-
sident sich mit den ständischen Assessoren beraten und „mit irem vorwissen
unnd rat“ das tun, was „zu befurderung unnd fruchtparlicher verrichtung des
colloquii diennstlichen sein wirdet“351. Auf diese zuletzt genannte Anweisung
des Königs wird noch zurückzukommen sein.
Für ein Religionsgespräch zwischen an einer Einigung ernsthaft interessier-
ten Teilnehmern hatte Ferdinand mit Pflug und Seld eine hervorragende Beset-
zung des Präsidiums getroffen. Indessen sollte sich schnell zeigen, daß diese
Voraussetzung gerade nicht gegeben war: Auf protestantischer Seite lag zumin-
dest einer Minderheit, den Gnesiolutheranern, die immerhin zwei Collocutoren
stellten, viel mehr an Ausgrenzung als an Verständigung352; und auf der katholi-
schen Seite wurden die ausgleichswilligen Kräfte durch Pflugs „Beförderung“
geschwächt353.
Die Proposition Ferdinands, die Seld am 11. September 1557 in der Eröff-
nungssitzung dem gelehrten Auditorium in lateinischer Sprache vortrug354,
nahm die Teilnehmer in eine besondere Verantwortung fĂĽr die Zukunft der
Christenheit und des Reichs: Nachdem die bisherige Ordnung infolge des
Zwiespalts an den Rand des Ruins gelangt sei, ruhten alle Erwartungen auf
ihnen, daĂź endlich Abhilfe geschaffen werde; sie sollten darum auf alle Recht-
haberei verzichten und sich um gegenseitiges Verstehen bemĂĽhen, dann werde
Gott seinen Segen zum Gelingen geben. Sieht man von dem rhetorischen Ran-
kenwerk ab, so dokumentiert die Proposition noch einmal Ferdinands Anlie-
gen, auf dem Weg zur friedlichen Wiederherstellung der Glaubenseinheit end-
lich voranzukommen.
Trotz der königlichen Ermahnungen zur Eintracht wurden die Spannungen
zwischen den Konfessionen von Anfang an deutlich355. Insofern mochte es
wohl zu Hoffnungen berechtigen, daĂź es dennoch alsbald gelang, sich sowohl
350 HHStA Wien, RK RelA 27, fol 67r: Georg Ilsung an F., Augsburg, 16.7.1557 (Or.) mit der
Aufschrift „zu handen seiner Ro. Ko. Mt. Hofvicekanzler“ (fol 86v) mit Beilagen (fol 68r-83r),
darunter ein „Bedencken und verzaichnuß zu ainer vorberaittung des zuekunfftigen colloquii
gestelt, welcher gestalt unsern thails colloquentes und adjunckten sich im selbem verhalten sol-
len“ (fol 68r-71v). Seinen Informanten hat Ilsung nicht genannt.
351 Pollet, Corr. 4, S. 310, Z. 52–54; im Entwurf fol 111r
352 Vgl. dazu zuletzt Bundschuh, S. 282ff; ebda, S. 400–417 Kurzbiographien aller evangelischen
Teilnehmer.
353 Pollet, Corr. 4, S. 216 meint, nur Pflug hätte sich noch mit Melanchthon verständigen können;
sein ähnlich denkender Kollege Helding sei nun stärker unter den Einfluß derer geraten, die wie
Canisius das Colloquium mit Abneigung betrachteten. Kurzbiographien aller katholischen Teil-
nehmer bei Bundschuh, S. 379–398.
354 Druck bei Heppe 1, Beilage Nr. V, S. 8–12; ein Auszug übersetzt bei Brodrick 1, S. 562f; In-
haltsangaben bei Bucholtz 7, S. 369f, und Bundschuh, S. 427.
355 AusfĂĽhrlich dazu Bundschuh, S. 426ff
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- MĂĽnster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien