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Kapitel 2: Der Regensburger
Reichstag202
der er Pflugs Bericht ergänzte, treffend beschrieben370. An sich müsse der Kö-
nig eine Entscheidung fällen und könne sie nicht dem Präsidenten überlassen,
denn es sei „one allen zweifel die höchst und wichtigist handlung, die E. Mt. in
der ganntzen administration des reichs haben mögen“. Da nach Selds Urteil bei
den Teilnehmern am Colloquium keine Kompromißbereitschaft mehr zu er-
kennen war, sagte er als Folge jeder vom König getroffenen Entscheidung vor-
aus, daß diejenige Partei, welcher er nicht recht gebe, sie nicht annehmen und
zum Bruch treiben werde. Selbst wenn der König einen Mittelweg erdächte, der
die Fortführung ermögliche, sei fraglich, ob sich beide Parteien darauf einlassen
würden, zumal die Katholiken der Meinung wären, durch die Zerstrittenheit
der anderen Seite einen großen Vorteil erlangt zu haben, den sie nicht aus der
Hand geben wollten371. Eine Suspendierung oder Vertagung würden sie wohl
akzeptieren, jedoch würden das die Protestanten propagandistisch ausnutzen.
Ohnehin werde Ferdinand den Vorwurf der Parteilichkeit seitens der Prote-
stanten kaum vermeiden können, denn im Grunde würden sie ihn nur dann als
„richter und obmann“ akzeptieren, wenn er „für sie und wider die catholisch
sprechen wurd“. Einen Ausweg aus der schwierigen Situation sah Seld nicht
und mochte nur noch eine göttliche Erleuchtung Ferdinands erflehen. Und
doch scheint er noch einen Funken Hoffnung für die Fortsetzung gehabt zu
haben, denn abschließend regte er an, das Präsidium um einen weiteren Rat zu
verstärken, denn je mehr Vertreter des Königs anwesend wären, „je mehr es
dannocht ains thails trosts und ains thails ansehens macht“372. Als Seld drei
Tage später sein privat geführtes Protokoll über die bisherigen Verhandlungen
an Ferdinand schickte, vermutete er, daß die Protestanten entweder die Rück-
frage des Präsidenten beim König oder dessen Resolution abzulehnen gedäch-
ten, womit „E. Mt. die mue erspart, aber sonst das colloquium gewisslich darob
zerschlagen“ werde; denn wenn die Entscheidungen weder beim Kaiser als dem
Haupt noch beim Präsidenten „besteen solt, so wesst ich in meiner einfalt nitt
wie den sachen alsdann zu helffen“373.
Die Antwort des Königs, dessen engster Berater Seld 15 Monate später wer-
den sollte, fand aber nicht seinen Beifall, vielmehr meinte er, sie führe zurück in
das „alte Labyrinth“374. Ferdinand hütete sich in seinem an Pflug und die As-
sessoren gerichteten Schreiben375, über jene Streitpunkte, die den akuten Kon-
flikt verursacht hatten, autoritativ zu entscheiden. Zwar ließ er durchblicken,
daß er die Forderung der katholischen Theologen nach Klarstellung, wer auf
der anderen Seite eigentlich die Confessio Augustana vertrete, im Prinzip für
berechtigt hielt; und die Bemerkung, sofern die Evangelischen bei den weiteren
370 Selds Schreiben v. 27.10.1557 in HHStA Wien, RK RelA 27, fol 218–224; längere Passagen bei
Bundschuh, S. 493 Anm. 50 u. S. 494 Anm. 51, dort auch das erste Zitat.
371 fol 221v
372 Die beiden letzten Zitate fol 222v bzw. fol 224r
373 HHStA Wien, RK RelA 27, fol 315r-316v: Seld an F., Worms, 30.10.1557 (Eigh. Or.), das Zitat
fol 315v.
374 Goetz, Beiträge S. 93: Seld an Herzog Albrecht, Worms, 24.11. 1557
375 Konzept mit Verbesserungen von Jonas in HHStA Wien, RK RelA 28, fol 8r-10r; ebda, fol 2r-
4v eine Kopie. Moderne Edition bei Pollet, Corr. 4, S. 329–331; alter Druck bei Goldast,
Reichshändel, S. 740f
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien