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Kapitel 4: Der Streit mit Papst Paul IV. – Neue Begründung des
Kaisertums278
khommen“, und er folgert, „das auch der plos nam dem selben pillich nitt abzu-
stricken“151; im Reichsrecht sei festgelegt, daß (deutscher) König und Römi-
scher Kaiser identisch („ein ding“) seien. Es dürfe auch jeder Bischof sofort
nach der Wahl, also vor der Konsekration, den Titel führen. Als Präzedenzfälle
zählt er diejenigen deutschen Herrscher auf, die trotz fehlender päpstlicher
Krönung als Kaiser gelten, und weist einmal mehr den Konfirmationsanspruch
mit dem Hinweis auf die Anerkennung Ferdinands als Römischer König durch
Clemens VII. zurück. Seld fügt hinzu, auch Paul IV. habe Ferdinand jahrelang
als solchen behandelt. Schließlich betont er, Ferdinand führe völlig korrekt nur
den Titel „Imperator electus“, wie es auch Karl V. vor seiner Krönung und
Maximilian I. getan hätten.
Selds Fazit lautet: Der Papst müßte eigentlich wissen, daß die Approbation
Ferdinands gar nicht zur Debatte stehen kann, „dann dasselbe hieß, wie man
sagt, actum agere“. Wenn er ein Absetzungsverfahren einleiten wolle, werde es
eine „große Disputation“ geben, wer dafür zuständig sei, und es sei fraglich, ob
der betagte Papst das für ihn selbst und den heiligen Stuhl beträchtliche Risiko
eingehen werde152.
Im letzten Kapitel seines Gutachtens erörtert Seld verschiedene Möglichkei-
ten für das weitere Verhalten Kaiser Ferdinands in dem Streit sowie die jeweili-
gen mutmaßlichen Folgen153. Den kurialen Vorschlag, Ferdinand solle „für die
angegebne verprechen buß thun“, seine kaiserlichen Rechte ruhen lassen und
sich dem päpstlichen Urteil unterwerfen, lehnt er entschieden ab: Wenn der
Papst so weitreichende Gewalt über den Kaiser gewänne, werde sich das Reich
dagegen auflehnen, was zum Untergang der katholischen Religion in Deutsch-
land führen dürfte154. Er stellt fest: Für eine Buße gibt es keine Gründe, die
Resignation Karls und Ferdinands Herrschaftsantritt waren ordnungsgemäß; in
der Preisgabe dieser Rechtsposition läge ein „grausames unerhörtes präjudici-
um“ für das Reich, denn das Wahlrecht der Kurfürsten würde dadurch zur
Disposition gestellt. Jedes Nachgeben werde Ferdinand die Feindschaft sämtli-
cher Reichsstände eintragen, „an deren gutten willen doch sonst in zeittlichen
sachen E. Mt. vil mehr dann an der fraindschafft mit der Bap. Ht. und dem
gantzen Rho. stul gelegen ist“155. Damit gibt Seld ein klares Votum über die
politischen Prioritäten für Ferdinands Regierung ab. Folgerichtig befürwortet
er am Ende eine Beratung mit den Kurfürsten, wie Ferdinand sie schon ange-
kündigt hatte, weil die „Hoheit des ganzen Reichs“ berührt sei; die Stellung
Ferdinands werde, „es gerhatt gleich die sach hernach wie sie woll, desto mehr
verwart und versichert“156. Der Schulterschluß mit dem Kurfürstenkollegium
ist aber keine „postreformatorische“ Neuerung, sondern Seld sieht in den
päpstlichen Ansprüchen die Rechte des Reichs in einer Weise tangiert, daß die
Reichsstände sich damit auseinandersetzen müssen: „und also bey E. Mt. auch
151 fol 76r. Das zweite Zitat fehlt bei Goldast, S. 193 letzter Absatz.
152 fol 80r/ S. 195
153 Zum folgenden fol 81r-91v/ S. 195–200
154 fol 81r/ S. 196
155 fol 83r-v/ S. 196 (Goldast hat hier „Feindschafft“).
156 fol 91v/ S. 200
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien