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Kapitel 4: Der Streit mit Papst Paul IV. – Neue Begründung des
Kaisertums284
opportun erscheinen lassen, die Denkschrift unter Verschluß zu halten, doch ist
sie 65 Jahre später einem päpstlichen Nuntius bekannt geworden195.
Aus den ihnen vorliegenden Dokumenten über die römischen Verhandlun-
gen gehe hervor, so stellen die Doktoren einleitend fest, daß der Papst für sich
gegenüber Kaiser und Reich viel mehr Autorität und Befugnisse beanspruche,
als ihm nach göttlichem und menschlichem Recht zustehe196. Ausgangspunkt
für ihre Widerlegung ist der Grundsatz: „jus imperii a solo Deo dependat“, mit
dem die vier Doktoren sich die legistische Rechtsauslegung zu eigen machen197.
Die Verwaltung des Reiches ist vom Amt des Papstes getrennt, an anderer Stelle
heißt es, daß der Kaiser allein von Gott seinen Auftrag hat und – in Anlehnung
an Rö. 13 – sein Schwert nicht umsonst trägt198. Zum Beweis dienen die Worte
Christi: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Joh. 18,36) und „Die Könige
herrschen über die Völker“ (Luk. 22,25). Daraus wird gefolgert, daß durch die
Übergabe der Schlüssel des Himmels an Petrus und den apostolischen Auftrag,
die Schafe des Herrn zu weiden, keine weltliche Herrschaft begründet werde,
vielmehr sei die Ausweitung auf weltliche Dinge ein Mißbrauch, der sich rächen
werde. Die negativen Folgen werden im Erstarken der Häresien, der Zwietracht
in der Christenheit und der Bedrohung durch die Ungläubigen erkannt199. Mit
wenigen Schritten ist die päpstliche Position nicht nur als juristisch unhaltbar,
sondern auch als politisch fatal charakterisiert und das Fundament dafür gelegt,
um einerseits den Anspruch des Papstes als nichtig darzutun, er habe die
Rechtmäßigkeit von Resignation und Sukzession im Reich zu überprüfen, und
andererseits deren Rechtsgültigkeit zu begründen.
Weil der Papst oder die geistliche Gewalt von Rechts wegen nicht über Kai-
ser, Reich und Temporalien gebietet200, sollte er sich in die zeitlichen Dinge
nicht einmischen. Die Herleitung eines Prüfungsrechtes aus Salbung und Krö-
nung wird einmal mit der Feststellung zurückgewiesen, daß etliche Bischöfe
Koronatoren seien, ohne über solche Rechte zu verfügen201, ein anderes Mal
werden jene Handlungen als nicht notwendige Zeremonien ohne Rechtsfolgen
qualifiziert202; auch Seld hat diese Argumente eingesetzt. Zur Bekräftigung wird
darauf verwiesen, im Alten Testament hätten Propheten zwar die Salbung der
Könige Saul und David vorgenommen, aber keinerlei königliche Rechte usur-
piert203. Bemerkenswert ist ferner der Hinweis, der Kaiser erhalte vom Papste
195 Albrecht, S. 246
196 „Saneque ex duobus illis scriptis B. et C. signatis satis apparet, quod summus Pontifex multo
plus auctoritatis et potestatis sibi in imperium et imperatorem vendicat, quam divino aut huma-
no iure possit aut debeat“ (fol 5v); die erwähnten Beilagen fehlen leider.
197 fol 6r
198 fol 8r. Da etliche Argumente an mehreren Stellen wiederkehren oder nur leicht variiert werden,
fasse ich unter Vernachlässigung der Abfolge stärker zusammen.
199 fol 6r-7r; Variationen fol 10v
200 fol 7v: „Clarum est de jure quod papa ut potestas spiritualis non dominatur super imperatorem
ac imperium ut temporalia“.
201 fol 8r
202 fol 11r
203 fol 11v
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien