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EINLEITUNG 25
Die Aktenstücke, auf die sich Becker hier beruft, müssen in der Zwischenzeit
verloren gegangen sein. Oder hat er diesen Umstand vielleicht nur erfun-
den? Handelt es sich gar um eine spätere Konstruktion einer Sammlungs-
geschichte so, wie man sie gerne gehabt hätte oder wie sie aufgrund der da-
mals aktuellen Umstände opportun gewesen wäre? Einige Monate später
meint er in seinem Arbeitsprogramm nämlich, dass „ein leitendes Princip in
Bezug auf die Richtung, welche die Bibliothek zu verfolgen hat, […] bei der
Gründung nicht vorgeschwebt zu haben [scheint]“, wobei er ebenfalls betont,
dass
„die Erweiterung und Vermehrung der Bibliothek […] bis zum Tode des Kai-
sers Franz I. zum größten Theile unter unmittelbarem Einflusse Seiner Majes-
tät [geschah], von allerhöchstwelchem entweder die Bücher selbst gespendet
oder die Weisung zum Ankauf ertheilt wurde. Später erfolgte der Ankauf von
Büchern unmittelbar vom Vorstande nach seinem Ermessen und unter sei-
ner Verantwortlichkeit, wobei derselbe an eine für jedes Jahr praeliminierte
Summe gebunden war.“9
Rainer Valenta wird sich im anschließenden Beitrag ausführlich mit der Ge-
nese solcher Mythen und deren Tradierung auseinandersetzen.
Im ersten Band dieser Reihe (zur Geschichte der franziszeischen Privatbib-
liothek) wurde dem Personal dieser Sammlung große Aufmerksamkeit ge-
schenkt. Dies geschah nicht zuletzt auch deshalb, da das Quellenmaterial
zum Mitarbeiterstab reichlich vorhanden war und sich als äußerst aussa-
gekräftig erwies. Die oftmaligen Neubesetzungen und die Vielzahl an Be-
werbungen führten unweigerlich zu der Frage, wie die Auswahl der später
eingestellten Individuen vonstatten ging, beziehungsweise wie die Öffent-
lichkeit von vakanten Posten erfuhr. Zwei Textpassagen belegen, dass der
Kaiser selbst gelegentlich auf kurzem Wege eine Auswahl traf. So teilt
Khloy ber etwa 1853 en passant mit, dass der Bibliotheksdiener Josef Wich
„das Glück [hatte] von Seiner Majestät dem Kaiser Ferdinand Selbst für die-
sen Dienst gewünscht zu werden.“10 Becker wiederum erwähnt anlässlich
der Pensionierung des Kustos Georg von Thaa, dass
„als im Jahre 1829 Seine Majestät weiland Kaiser Franz bei dem damaligen
obersten Kanzler Grafen von Saurau die Namhaftmachung einer Persönlich-
keit anzuregen geruhten, welche geeignet wäre, als Kanzellist in allerhöchst
9 FKBA26135, pag. 18.
10 FKBA26024, fol. 7v.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken