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DREI KAISER – DREI
BIBLIOTHEKEN190
seyn will eine Bibliothek von so bedeutendem Umfange, wie die in der Frage
stehende Artikel für Artikel mit diplomatischer Genauigkeit zu vergleichen.
Möge es einem hohen Ministerium belieben, sich über die Langwierigkeit ei-
ner solchen Arbeit gefälligst bei der k. k. Hofbibliothek erkundigen zu lassen;
und Sich in diesem Falle villeicht nicht zu verwundern [fol. 2v] wenn ich mit
schuldiger Offenmüthigkeit bemerke, daß wenn man hohen Orts streng auch
die genaueste Copirung der vorhandenen Cataloge einhält, hiezu nicht bloß 8
Monate sondern – und das zwar mit Hülfe von zwei zugegebenen tauglichen
Diurnisten – wohl mehr als 3 Jahre erforderlich sind.
Dabei muß ich bemerken, daß die Fideikommißbibliothek noch dabei den
Vortheil hat, daß jedes ihrer Bücher und Werke mit den betreffenden Num-
mern; wie auch zur Eigenthumsbezeichnung mit der Chiffre-Stampile Frz I.
schon vorlängst versehen ist.
In dem in der verehrten Note angegangenen Zeitraum von 8 Monaten, ist
nicht ein Tag gefeiert worden. Einmal mußte die Ferdinandeische Bibliothek –
die leider nicht einmahl eine zukömmliche Localität besitzt – ganz vollendet
werden; dann wurde die aus mehreren 1000 Bänden bestehende dem höchst-
seligen Kaiser gehörige sogenannte Frank’sche Bibliothek (vom Reichs-Re-
ferändar Frank herstammend) welche wegen Mangels an Raum, seit Jahren
sich einstweilen in einer Art Magazin befand, endlich ans Tageslicht gezogen;
und in einen überkommenen neuen Standort permanent hinterlegt; – schließ-
lich die Revision der vorhandenen französischen Geschichtswerke, ferner ei-
nes Theils der juridica; besonders aber die Revision der 800 [Bände] starken
Sammlung von Incunabeln vorgenommen werden.
[fol. 3r] Aus allen diesen ersah ich selbst nicht ohne eigenes Befremden,
wie viele Zeit solche Revisionen brauchen; zumal wenn die Arbeitshände nicht
hinreichen.
Sollte ob der Dringlichkeit der Sache, ein hochlöbliches Ministerium jene 96
Katalogbände zur Vinculirung des Fideicommisses mir abzufordern beschie-
ßen; so stehen sie jedem, der zur Uebernahme autorisirt sein wird, augen-
blicklich zu Gebothe. Nur würde ich mich in einem solchen Falle – obgleich
ich Ursache habe zu vermuthen, daß nicht einmal eine bedeutende Broschüre
abgehen dürfte; natürlich von jeder Haftung (ich bemerke daß die Bücher-
schränke offen sind, und offen bleiben müssen) frei halten. Ueberdieß würde
ich in einem solchen Falle in meinem bibliothekarischen Wirken ganz ge-
hemmt sein, Bibliotheken sind wie Bienenkörbe, es gibt immer darin etwas zu
thun und zu ordnen; der Fortsetzungen nicht zu erwähnen, die denn doch noch
immer einlaufen, und von Zeit zu Zeit in Katalogen zu notiren sind.
Sollte aber eine gehörige Revision von mir vorzunehmen sein, wozu ich aber
dann bitten würde, daß Seine Majestät huldvollst geruhen möchte, 2 Diur-
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken