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DIE FIDEIKOMMISSBIBLIOTHEK UND DIE PRIVATBIBLIOTHEK FRANZ JOSEPHS 207
etwa zur gleichen Zeit in Frankreich vermeintliche Originalbriefe der franzö-
sischen Königin veröffentlicht worden waren,674 die Arneth aufgrund seines,
der Öffentlichkeit bis dahin unbekannten Fundes (im Handarchiv) zweifels-
frei als Fälschungen enttarnen konnte. In seinen Memoiren berichtet er über
die Sichtung der Briefe aus dem Besitz des Kaisers Franz:
„Der alte Herr von Khloyber, der schon unter Kaiser Franz in dessen Privat-
bibliothek gedient hatte und im Laufe der Zeit zu ihrem Vorstande heraufge-
rückt war, lebte zwar noch, aber er hatte sich wohl schwerlich jemals näher
mit diesen Schriftstücken befaßt, sondern sie nur als eine streng geheim zu
haltende Sache vor jedem profanen Auge sorgsam gehütet. Aus langverschlos-
senem Schranke und mit Staub bedeckt waren sie mir von ihm hervorgeholt
worden, wie er sie denn auch, nachdem ich sie copirt, persönlich wieder von
mir in Empfang nahm.“675
Arneth hatte den Briefwechsel mit dem Ziel kopiert, die daraus gewonnenen
Erkenntnisse an jener Stelle seiner Monumentalbiografie zu publizieren, wo
das letzte Lebensjahrzehnt der Kaiserin – Tochter Maria Antonia war erst
1770 vermählt worden – abgehandelt werden sollte. Aus gegebenem Anlass
entschied er sich jedoch dazu, den Briefwechsel im Zuge dieses gesteigerten
Interesses an der Person Marie Antoinettes sogleich separat zu veröffentli-
chen.676
Reinöhl meint, dass Arneth bei seiner Recherche nicht bewusst gewesen
sei, dass es sich hierbei um das Handarchiv des Kaisers Franz gehandelt
hat. Obwohl das Arbeitskabinett in einiger Entfernung zu den Bibliotheks-
räumlichkeiten lag, war er zunächst wohl der irrigen Meinung, dass dieser
hochinteressante, aber nicht völlig gesichtete und der wissenschaftlichen Öf-
fentlichkeit unbekannte Bestand der Bibliothek angehöre. Da dieser jedoch
in der Errichtungsurkunde von 1849 nicht als dem Fideikommiss zugehörig
ausgewiesen war, betrieb er erfolgreich dessen Eingliederung in die Zustän-
digkeit des Haus-, Hof- und Staatsarchivs.677
674 Paul Vogt von Hunolstein, Maria Antoinette, ihr Leben und Wirken geschildert in ihren
eigenen Briefen. Nach den Original-Handschriften veröffentlicht (Prag 1864), Ders. (Hg.)
Correspondenz der Königin Marie Antoinette (1770–1792), nach den Original-Handschrif-
ten herausgegeben (Brünn 1864); bzw. Faksimile einiger Briefe publiziert im dritten Band
von Felix Feuillot de Conches (Hg.), Louis XVI., Marie-Antoinette et Madame Elisabeth;
lettres et documents inedits, 6 Bde. (Paris 1864–1873).
675 Arneth, Leben, 248f. Ich danke meinem Kollegen Rainer Valenta für diesen Hinweis.
676 Alfred von Arneth (Hg.), Maria Theresia und Marie Antoinette. Ihr Briefwechsel (Wien
1865).
677 Reinöhl, Familienarchiv, 32 v. a. Anm. 3.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken