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DIE FIDEIKOMMISSBIBLIOTHEK UND DIE PRIVATBIBLIOTHEK FRANZ JOSEPHS 285
seyen? Nach Maßgabe dieser allerhöchsten Schlußfassung würde eine Anfor-
derung der Privatcassa Seiner Majestät Kaisers Ferdinand an die Verlassen-
schaft Wailand Kaisers Franz auszusprechen und diese bei der Erbtheilung zu
berücksichtigen seyn.“936
Die Andeutungen der Kommission lassen natürlich Raum für Spekulatio-
nen, da vor allem eine wichtige Passage unvollständig ist. Die Unsicherheit,
nun auch urkundlich beglaubigter Fideikommissherr zu sein respektive zu
bleiben, obwohl man nicht weiß, ob man sich diese Funktion auch finanziell
leisten kann, oder besser gesagt leisten will, könnte auch dahingehend inter-
pretiert werden, dass Ferdinand mit der Thronentsagung implizit eigentlich
auch davon zurückzutreten im Sinn hatte. Die Gründe hierfür wären durch-
aus nachvollziehbar. Wenn Ferdinand zu diesem Zeitpunkt vielleicht auch
noch nicht wusste, welchen Ort er und seine Gattin als bleibenden Wohnsitz
wählen würden, so war doch von Anfang an klar, dass dieser nicht Wien hei-
ßen konnte. Er würde auch die umfangreiche Fideikommissbibliothek nicht
mit sich nehmen können. Warum also Fideikommissherr einer Sammlung
bleiben, die man aufgrund der räumlichen Distanz gar nicht oder nur schwer
benützen kann und die im Gegenzug nur Kosten verursacht, zumal man ja
eine eigene Privatbibliothek besitzt? Man bedenke, dass diese Überlegun-
gen durch die Bestrebungen der Regierung in Wien befeuert wurden, die
aus Staatsgeldern für Ferdinand zu bewilligende Dotation möglichst niedrig
zu halten. Aus der Sicht Franz Josephs wiederum war eine Übernahme des
Fideikommisses ebenso unattraktiv. In Folge der Aufteilung der Privatkasse
in zwei völlig separate Einheiten, wie sie im folgenden Abschnitt dargelegt
wird, verlor der junge Monarch zahlreiche private Einkünfte und es war bald
abzusehen, dass Ferdinand zum reichen Onkel in Prag avancieren würde.
Warum also eine freiwillige Übernahme der Pflichten, wenn die Sammlung
aufgrund ihrer Größe zunächst ohnehin nur in ihren angestammten Räum-
lichkeiten in Wien verbleiben konnte, was dem regierenden Kaiser ohne-
dies genug Kosten verursachen würde? Die Frage der Dotation, die auch die
Kommission ins Spiel bringt, wird in Abschnitt 4.1. ausführlicher erörtert.
Am 9. Oktober 1849 wird durch Franz Joseph schließlich auch die Urkunde
über das Falkenstein’sche Primogenitur-Fideikommiss in der aktualisierten
Form ausgestellt, wie sie von Freiherr von Werner bereits Ende 1848 gefor-
dert worden ist.
936 Ebenda, fol. 240r–v. Das Originalprotokoll (1. Protokoll, Sitzung vom 02.10.1849) liegt unter
Wien, ÖStA, HHStA, Hausarchiv, Ministerium des kaiserlichen Hauses, Verlassenschaften
Kt. 6, vgl. ebendort auch das 21. Protokoll, Sitzung vom 18.01.1851.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken