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DREI KAISER – DREI
BIBLIOTHEKEN316
der Commission irregeführt und mußten zu der Ansicht gelangen, dass seine
Forderungen bezüglich der Verwendung jenes Cassarestes übertrieben seien.
Dass sie aber von dem in der Bibliothek bestehenden Vorrathe ungebundener
und incompletter Bücher keine Kenntnis hatten, erhellt [sich] unzweifelhaft aus
dem Umstande, dass in der schließlichen Erledigung über die Angelegenheit
darüber keine Verfügung getroffen wurde, was doch im Interesse der Sammlung
hätte geschehen, und von fachmännischer Seite beantragt werden müßen, zu-
mal wo das Geld dafür schon angewiesen und bei der Cassa in Ausgabe gestellt
war. Es bezeichnet einen seltsamen Conflict persönlicher Gereiztheit mit den
Pflichten seiner Stellung, dass Hr. v. Khloyber es in diesem Falle nicht über sich
brachte, die thatsächlichen Bedürfnisse der ihm anvertrauten Bibliothek in ei-
ner allerunterthänigsten Vorstellung zu wahren, und mit aller Kraft dafür ein-
zustehen, dass die nöthigen Geldmittel zum Einband und zur Complettierung
jener rückständigen Werke geboten werden. Anstatt dessen verhielt er sich in
Bezug auf diese Angelegenheit vollkommen passiv und ließ die Rückstände an
ungebundenen und incompletten Werken nach wie vor anwachsen. Ob damit
den Pflichten seiner Stellung als Vorstand der Bibliothek entsprochen und sei-
nem Nachfolger eine wünschenswerte Verlassenschaft überantwortet wurde,
überlasse ich der allergnädigsten geneigten Erwägung.“1010
Da Becker 1853 ja noch nicht an der Bibliothek tätig gewesen war, ist wohl
anzunehmen, dass er die Details zu dieser Visitation von den älteren Biblio-
theksmitarbeitern erzählt bekommen hat.
Auch der Privatsekretär Kaiser Ferdinands, Intendant Franz Geringer,
äußert sich in einem seiner inoffiziellen Briefe an Kabinettsdirektor Adolf
Braun 1869 in Zuge der Nachfolgeregelung nach Khloybers Tod en passant
über diese Angelegenheit:
„Es würde zu weit führen, sonst würde ich Euer Excellenz erzählen, wie v.
Khloyber durch einige Jahre stets unnöthig Geld behob, nach und nach den
baren Betrag von mehr als 5000 fl. C.M. aufhäufte, den er in einer Lade seines
Bureau Tisches Jahre lang aufbewahrte, bis ich endlich dahinter kam und er
nach einer langwierigen, verbitterten Verhandlung genöthiget wurde, diesen
angeblichen Reservefond an die Privatkasse zurückzustellen.“1011
Am 3. April 1853 wird Khloybers Rechenschaftsbericht für das Jahr 1852
angenommen. Infolge von Mehrausgaben in diesem Jahr ist das Kassagut-
1010 FKBA26135, pag. 9–10.
1011 Wien, ÖStA, HHStA, Kabinettskanzlei, Direktionsakten, Kt. 5, 4–1869, Schreiben vom
10.06.1869.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken