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KAISERLICHES INSTITUT UND
ERINNERUNGSRAUM720
ziert wurden.1066 Doch die Entwicklung vorlief nicht so geradlinig, wie es auf
den ersten Blick erscheint. Wenn man die einzelnen Fälle bis gegen die Jahr-
hundertwende durchsieht und analysiert, dann zeichnen sich Muster und
Tendenzen ab, nach denen Reproduktionen eher bewilligt oder abgelehnt
wurden. Auch wenn anhand der Akten und einiger ergänzender Quellen1067
nicht alle Einzelfälle ersichtlich oder schlüssig interpretierbar sind, ergibt
sich hier doch ein schlüssiges Gesamtbild.
Betrachten wir zunächst all jene Fälle – und das sind bis zur Jahrhun-
dertwende mit Abstand die allermeisten –, in denen Reproduktionen an-
standslos genehmigt wurden und anscheinend reibungslos ausgeführt wer-
den konnten. Man muss sich nur gewisse Merkmale klarmachen, die die
Initiatoren und den jeweiligen Zweck der Unternehmungen auszeichnen,
um sofort zu erkennen, warum die Kommunikation hier so harmonisch ver-
lief. Die Antragsteller waren nämlich fast ausnahmslos Inländer, und zwar
entweder Vertreter wichtiger staatlicher Institutionen, namhafte Persön-
lichkeiten oder zumindest solche, die in engem Kontakt zur Leitung oder
zu Beamten der Fideikommissbibliothek standen. Nicht selten spielten auch
Interventionen von höherer Stelle eine Rolle. Die Publikationen, die mit
Illus trationen versorgt werden sollten, waren fast ausschließlich Werke zu
zentralen Themen aus der Geschichte der Monarchie; man kann sie mit bes-
tem Recht als „patriotische Unternehmungen“ bezeichnen, und mit dieser
Etikettierung wurde auch tatsächlich in einigen der schriftlichen Ansuchen
argumentiert.1068
Für den Inhalt und die Funktion dieser „patriotischen Werke“ sind nach
meinem Ermessen drei zentrale Aspekte auschlaggebend. Der erste betrifft
die mediale Inszenierung des Kaisers, welche v. a. anlässlich der Thronjubi-
läen gepflogen wurde. In einigen der Festschriften und Sondernummern, die
zu diesen Gelegenheiten entstanden, wurden eben auch Porträts von Franz
Joseph und anderes Bildmaterial aus der Fideikommissbibliothek reprodu-
ziert.1069 Das öffentliche Interesse an Bildquellen und persönlichen Doku-
menten zur Person des Kaisers und zu den Habsburgern im Allgemeinen
nahm aber erst seit der Jahrhundertwende in auffälligem Maße zu. Damit
ging auch ein Anstieg der Reproduktionen nach entsprechenden Beständen
aus der Fideikommissbibliothek einher (vgl. Abschnitt 3.4). Gleichzeitig
kann man festhalten, dass Jubiläen grundsätzlich – also auch unabhängig
von der Person des Monarchen – ein häufiger Anlass für das Anfertigen von
1066 Siehe das entsprechende Konzept von Alois Karpf in FKBA33054, fol. 2r–v.
1067 Die Ausleih-Journale (FKB.INV.64) und das Archivregister (FKB.INV.84).
1068 FKBA34061; FKBA35110, fol. 1v.
1069 Vgl. FKBA32044, FKBA35123, FKBA35155, FKBA35156.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken