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GENESE EINER HABSBURG-LOTHRINGISCHEN FAMILIENSAMMLUNG 843
Wiener Kunstindustrie entwickelt hatte, bei der sich die ursprünglich üb-
liche Materialbeschaffenheit der Waren (die sog. „Ledergalanteriewaren“)
nach allen Zweigen des Kunsthandwerks erweiterte. Dies wird durch eine
zeitgenössische Quelle bestätigt. Jacob Falke schreibt dazu in einem Über-
blicksartikel zum Kunsthandwerk in Wien:
„Wenn aber ein Artikel sich in der Welt als ‚Wiener Specialität‘ einen Namen
gemacht hat, so sind es die Galanteriegegenstände, deren eigentliches Mate-
rial das Leder ist, das aber zur Decoration fast jedes andere Material herbei-
zog, Metalle, Elfenbein, Porzellan, Holz u. s. w. Mit ihrer Hilfe entstanden jene
Prachtwerke von Hüllen und Decken der Albums, der Diplome, der Adressen,
welche auf allen Ausstellungen eine Zierde der Wiener Industrie waren.“1512
Am Endpunkt der Entwicklung, der mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrie-
ges erreicht war, konnte der Bestand an Huldigungsadressen in der Fidei-
kommissbibliothek eine Beispielsammlung für alle Entwicklungen, Richtun-
gen, Techniken und Stile der österreichischen Kunstindustrie in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts abgeben. Auch diese Behauptung lässt sich gut
durch zeitgenössische Aussagen untermauern. Als am Vorabend des Krieges
das Österreichische Museum für Kunst und Industrie sein fünfzigjähriges
Bestehen feierte und zu diesem Zweck eine Jubiläumsausstellung veranstal-
tete, äußerte sich sein damaliger Direktor Eduard Leisching wie folgt:
„Anlässlich des 50jährigen Jubiläums des k. k. Oesterreichischen Museums
veranstaltet die Direktion über Auftrag des k. k. Ministeriums für öffentliche
Arbeiten eine Ausstellung, welche den Zweck verfolgt die Entwicklung der
heimischen Kunstindustrie von den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts bis
auf die Gegenwart in typischen Beispielen zur Darstellung zu bringen. Die
Direktion legt das größte Gewicht darauf für diese Ausstellung eine Reihe
jener Huldigungsadressen geliehen zu erhalten, welche aus der in der Rede
stehenden Zeit stammen und sich in Verwahrung der k. und k. Familien-Fidei-
kommiß-Bibliothek befinden. Durch diese Vorführung würde eine große Reihe
heimischer Künstler und Kunsthandwerker aufs Beste repräsentiert sein.“1513
Doch was blieb von der politischen Funktion der Adressen? Waren die Hul-
digungsadressen nichts weiter als prunkvolle, jedoch inflationäre Loyalitäts-
bekundungen mit schönen Hüllen und ohne politische Ansprüche? Es gibt
eine Gruppe innerhalb des Bestandes der Fideikommissbibliothek, die sich
1512 Falke, Kunstindustrie, 274.
1513 FKBA42064, fol. 2r.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Title
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Subtitle
- Metamorphosen einer Sammlung
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 1073
- Categories
- Geschichte Chroniken