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Frühe Brücken
Sehr wahrscheinlich dürften bereits bald nach den Ein-
Seil-Konstruktionen auch erste Hängebrücken über
die vielen Schluchten im gebirgigen Asien vor allem
im Himalaya-Gebirge und seinem Umraum angesichts
der vielen topographischen Barrieren gespannt worden
sein. Konstruktiv sehr ähnliche Hängebrücken, wie die in
der Graphik dargestellte, gab es im alten Amerika wie
auch in Asien weit verbreitet bis in die zweite Hälfte des
20. Jahrhunderts vereinzelt auch im Himalaya Gebirge.
In Asien gab es daneben auch weit verbreitet Ketten-
brücken für Fußgänger und Reiter. Die Kettenglieder
dieser Brücken waren aus Eisen geschmiedet und las-
sen sich zumindest bis zum Beginn unserer Zeitrechnung
nachweisen.
Bei den archaischen Hängebrücken gab es im Gegen-
satz zu modernen heutigen Hängebrücken noch keine
Trennung zwischen Tragseilen und Lauffläche. Die tra-
ditionellen asiatischen Hängebrücken aus pflanzlichen
Tauen ähnelten in ihrer Konstruktionsweise den Brücken
in der Neuen Welt weitgehend. Die Ähnlichkeit betrifft
die Art der Herstellung der Stricke, aus denen dicke
Kordeln gedreht wurden. Aus mehreren dieser Kor-
deln stellte man im nächsten Arbeitsgang starke Taue
her. Auch in der Art der Verankerungen der Taue an
den beiden Brückenenden ähnelten die traditionel-
len Hängebrücken einander bis ans Ende des 20. Jh.
sehr. Angesichts der großen Ähnlichkeiten ist ein Ideen-
und Techniktransfer zwischen der Alten Welt und der
Neuen Welt in schon sehr früher Zeit sehr wahrschein-
lich. Dabei wird die Erfindung weitgehend sicher in der
Alten Welt gemacht worden sein und wurde von eini-
gen frühen Einwanderern in die Neue Welt als konst-
ruktives Wissen mitgenommen.
Da die Hängebrücken aus vergänglichen Materialien
periodisch ausgewechselt werden müssen und mussten,
gibt es keine Belege für die Existenz solcher Brücken
schon vor Jahrtausenden. Es gibt nur Indizien. Zu den
Indizien gehört die Hängebrücke von Kintany in China
aus dem Jahr 67 n.Chr., bei der geschmiedete Ketten
verwendet wurden. Eine solche Brücke braucht konstruk-
tive Vorgängerbrücken, die gewöhnlich aus einem ein-
facheren direkt aus der Natur zu entnehmenden Bau-
stoff bestehen. Die Ketten waren nur ein langlebigeres
Material, damit die Brücken dieser Konstruktionsart
langlebiger werden. Man darf daher davon ausgehen,
dass es bereits in einer Zeit lange vor Beginn unserer Zeitrechnung in Asien Hängebrücken aus vergäng-
lichem Material, aus denen dann die beständigeren
Kettenbrücken entwickelt wurden, gegeben hat.
Als Beispiel für die Herstellung eines wichtigen techni-
schen Architekturelementes, das zunächst aus Holz her-
gestellt und erst später aus Metall nachgebaut wurde,
mögen die hölzernen Verschlusselemente an Türen in
der Antike dienen. Die aus Holz hergestellten Fallen-
schlösser wurden offenbar am nördlichen Rande des
nördlichen Wüstengürtels in ganz Nordafrika, in Ara-
bien und im Raum entlang des Roten Meeres bis nach
Äthiopien schon vor Beginn unserer Zeitrechnung ver-
wendet und überlebten in manchen entlegenen Ge-
bieten bis ans Ende des 20. Jh.
Um den Beginn unserer Zeitrechnung wurden sie par-
allel dazu von den Römern übernommen und in Metall
nachgebaut, als die Bürger des Imperium Romanums
immer mehr wertvolle Dinge sicher zu verwahren hatten.
Natürlich wurden die Schlösser durch den Wechsel des
Materials stabiler und auch kleiner, als die hölzernen,
bruchanfälligen Fallenschlösser bei den Berbern oder
Arabern (Hohmann 2019:93-101). Römische Häuser
wurden seitdem oft mit Fallenschlössern aus Metall si-
cher verschlossen. Sie waren aber keine römische Er-
findung und gingen auf die hölzernen Fallenschlösser
zurück, die es schon vorher gab.
In den Randzonen des Imperium Romanum in Gebieten,
in denen man sich die Schlösser aus Metall nicht leisten
konnte, wurden auch weiterhin die Schlösser aus Holz
verwendet. Sie überlebten auch das römische Reich,
das Mittelalter und die Neuzeit. In entlegenen Ge-
bieten Nordafrikas und auch im Jemen, im Oman und
auf mehreren Mittelmeerinseln wurden solche Schlösser
bis zum Beginn des 21. Jh. verwendet. Heute werden
sie wohl nicht mehr nachgebaut und die letzten alten
Holzschlösser zerfallen. Aus den römischen Metall-
schlössern entwickelten sich hingegen unsere moder-
nen Fallenschlösser.
Die große konstruktive Ähnlichkeit der Hängebrücken
in den Hochgebirgszonen Asiens und in Lateinamerika
ist auch ein weiteres, sehr starkes Indiz auch dafür, dass
die Hängebrücken aus der Alten Welt bereits sehr früh
in die Neue Welt als Idee mitgenommen wurden. Spä-
testens vor 8.000 v.Chr. schmolz das Eis der letzten
Frühe Brücken
Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
- Title
- Frühe Brücken
- Subtitle
- Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
- Author
- Hasso Hohmann
- Publisher
- Technische Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-833-2
- Size
- 20.0 x 27.0 cm
- Pages
- 306
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen