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Frühe Brücken
Hängebrücken eigentlich keine Auflager haben, wie
dies bei Bogen- oder Fachwerk-Brücken der Fall ist, auf
denen das Gewicht der Brücke ruhen und wo der ho-
rizontale Schub nach außen abgegeben werden kann,
sondern eine Art von Ankerstellen auf beiden Seiten, an
denen die starken horizontalen Zugkräfte sicher über-
nommen werden können.
Da die frühen Hängebrücken aus relativ schnell ver-
gänglichem Material bestanden, das vergleichsweise
wenig wiegt und gewöhnlich relativ flach gespannt
wurde, ist die vertikale Komponente des Zuges auf die
Anker und des Drucks auf die Portale oder Türme am
Ende solcher Brücken wesentlich geringer als die hori-
zontale Komponente. Der Autor verwendet auch in der
vorliegenden Arbeit bei Hängebrücken statt Auflager
daher “Ankerstelle“.
Der Historiker Garcilaso de la Vega, auch der Inka
genannt, beschreibt den nördlichen Brückenanker
folgendermaßen: “Die Apurimac Brücke … hat ihre Steig-
bügel auf der Seite von Cusco im gewachsenen Felsen“.
Mit Steigbügel meint der Historiker offenbar eine Konst-
ruktion, zu der die zwei oberen Taue der Hängebrücke
zunächst aufsteigen, um von dort zu gut fixierten Tau-
haltern aus Stein am Boden abgespannt und sicher be-
festigt zu werden. Der Begriff “Bügel“ dürfte sich auf
die rechts und links aus dem Fels vortretenden Auflager
und einen Holzbalken beziehen, der daraus ein Portal
machte, über das die zwei oberen Taue gezogen wer-
den konnten. Über die Abspannung schreibt Garcilaso
de la Vega nichts weiter. Auch über die Befestigung der
Laufebenen-Taue macht er keine Angaben.
Über den Brückenanker auf der Seite nach Lima im
Süden schreibt er: “Auf der anderen Seite war der ge-
mauerte Steinturm. Unter der Plattform, die den Turm
trug, waren fünf oder sechs große Holzbalken, so dick
wie Ochsen, eingezogen, sie reichten von einer Seite
bis zur anderen. Sie waren übereinander angebracht
wie Stufen. Um jeden dieser Balken ist jeder Hängegurt
einmal gewunden, so dass die Brücke straff bleibt und
nicht durch ihr Gewicht, das sehr groß ist, durchhängt“
(Garcilaso de la Vega – der Inka 1609:Buch 3). Die
Dicke der Seile gibt Garcilaso als dicker als den Körper
eines Mannes an. Sie sollen aus einer besonders dün-
nen und zähen Art von Korbweiden geflochten worden
sein. Er beschreibt auch, wie das zweite Ende dieser dennoch extrem schweren Tragseile von einer zur an-
deren Seite des Apurimac mit Hilfe leichterer und dün-
nerer Hanfseile gespannt wurden (Jurecka 1979: 22)
Die oben erwähnte Plattform hatte wohl das Niveau,
auf dem die Lauffläche der Brücke im Süden tangierte.
Offenbar war auch die Basis dieser Plattform künstlich
aus schweren Steinen aufgemauert, da aus ihr mächti-
ge Baumstämme auf beiden Seite vorstanden, die quer
zur Brückenrichtung gestuft im Mauerwerk angeordnet
waren. An diesen wurden beidseitig die schweren Lauff-
lächentaue befestigt. Der Turm auf der Plattform hin-
gegen dürfte ein Portalbauwerk gewesen sein, das den
südlichen Querbalken getragen hat, über den die zwei
oberen Taue gezogen wurden. Diese mussten auf der
Rückseite nach unten verankert werden.
Victor W. von Hagen schreibt, man könne auf der süd-
lichen Seite die schneebedeckten Gipfel des Nevado
Marcani durch die seitlichen Öffnungen des Tunnels
sehen, der den Zugang zur Brücke ermöglichte. Der
Nevado Marcani erhebt sich tatsächlich nicht weit von
der einstigen Apurimac Brücke auf der Nordseite un-
weit der Schlucht.
Frühe Brücken
Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
- Title
- Frühe Brücken
- Subtitle
- Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
- Author
- Hasso Hohmann
- Publisher
- Technische Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-833-2
- Size
- 20.0 x 27.0 cm
- Pages
- 306
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen