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Ein anderer Grund, warum ich
genau dieses Bild gewählt habe,
ist, weil keine Menschen zu
sehen sind. Mit Menschen ist es
immer kompliziert, hab ich mir
gedacht. Man muss sich stän-
dig mit den eigenen Vorstellun-
gen auseinandersetzen und
Urteile bzw. den eigenen Blick
hinterfragen. (73/I/31) Wäre es nicht auch denkbar,
dass mein bereits dargelegtes
Unwohlsein beim Fotografieren
von Menschen die Breite
meiner Motivauswahl so weit
beschränkt, dass mir nur die
Natur bleibt als Ort entspann-
ten Fotografierens? (85/III/9)
Beim Fotografieren zur letzten
Einheit war mir nichts unange-
nehm, da ich nur die Haltestelle
ohne Menschen fotografierte
und sich diesmal zum Zeitpunkt
der Fotografie auch keine Men-
schen dort aufhielten. (90/
III/47) Meine nächsten Fotos sollen einerseits Orte
zeigen, die eine eindeutige Funktion haben, die
die Stadt vorgibt, und andererseits Orte, die von
verschiedenen Menschen genutzt werden,
ohne dass dies in ein stadtplanerisches Konzept
passt. Hier interessiert mich vor allem der
(groĂźteils unangefochtene) Glaube, dass nur
bestimmte Menschen, die sich irgendwie legiti-
miert haben, in der Position seien, ĂĽber die
Stadt zu bestimmen. (91/II/3)
SchlieĂźlich habe ich mich also
von der Idee wegbewegt, Café-
Gesprächsszenen zu suchen,
und mein Thema um „Raum
durch Kommunikation“ erwei-
tert. Plötzlich spielten nicht nur
lebendige bzw. bewegte Szenen
eine Rolle, sondern auch andere
Formen, öffentlich miteinander
zu kommunizieren. (64/I/4)
SchlieĂźlich die Erleuchtung (?): Ich werde inhaltlich bei meinen Hauptthemen
Freude – Vertrautheit – Gemeinsamkeit – Freundschaft bleiben, aber ich möchte
meine Art des Fotografierens weiter abstrahieren. [...] Mit meiner weiteren All-
tagsfotografie möchte ich mit den Symbolen unserer Kultur spielen, die Vertraut-
heit – Freude – Gemeinsamkeit – Freundschaft ausdrücken, ohne dass Menschen
abgebildet sind. Ich möchte die Unterschiede beim Fotografieren (Menschen als
Motive vs. Gegenstände/Landschaften als Motive) erleben und schauen, ob sich
manche Schwierigkeiten dadurch lösen bzw. umgehen lassen und welche neuen
stattdessen auftauchen werden. (88/III/6)
Was mich in Bezug auf die Präsentationen der
weiteren Seminarteilnehmer_innen besonders
interessierte, war, dass viele der Bilder, die wir
gemacht hatten, einander in gewisser Weise
sehr ähnlich waren. Selten waren darauf Men-
schen zu sehen. Meistens Ausschnitte urbaner
Räume, Stadtlandschaften. Die beiden Präsen-
tationen, mit denen ich mich im Rahmen der
Bilddialoge intensiver auseinandersetzte,
beschäftigten sich mit unterschiedlichen Aspek-
ten von Urbanität. (92/II/2)
Abb. 74 AuszĂĽge aus den ForschungstagebĂĽchern: Motivwahl, ohne Menschen fotografieren
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Title
- Generative Bildarbeit
- Subtitle
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Author
- Vera Brandner
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 276
- Keywords
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
- Category
- Medien