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bislang maßgeblichen Auswahlkriterien (Scherer-Schule, Österreicher)
sollte gänzlich scheitern.
In der zweiten Sitzung der Kommission am 11. Jänner 1913 wurde
zwardasGutachtenSeemüllersverlesen,übermöglicheMinor-Nachfolger
abererneutnichtdiskutiert.DiesmalverzögertemandieBeratungmitder
Begründung, dass der mittlerweile zu erwartende Seemüller-Nachfolger
Carl von Kraus ebenfalls ein Gutachten verfassen sollte.63 Kraus kam
diesemAnsuchen,das ihmvonRudolfMuchübermitteltwurde,64 jedoch
nicht nach, sondern forderte dieKommission auf, dieweiterenVerhand-
lungenbis zu seinemAmtsantritt zu vertagen,65was ihmvomDekanund
Vorsitzenden der Berufungskommission Leopold von Schroeder auch
anstandslos bewilligtwurde:
DaßdieBesetzungderStelle nachMinor sich so stark verzögert, istmir leid.
Doch jetzt ist dieZeit schon soweit vorgeschritten, daß es in derThatwohl
angezeigt sein dürfte zuwarten, bis Sie hier amOrte sind unduns berathen
können,worauf dieKollegen allgemein das größteGewicht legen.66
DieseZusagebedeutetenichtnur einenAufschubderVerhandlungenum
weitere dreiMonate, sondern führte schließlich auch zur deutlichenZu-
rücksetzungdes bisherigenFavoritenAugust Sauer.Hinzukam,dass sich
die publizistischeÖffentlichkeit in dasBerufungsverfahren einzumischen
begann und inneruniversitär Intrigen gesponnen wurden.Während die
Neue Freie Pressenoch im Jänner 1913 kolportierte, dass Sauer „in erster
Reihe […] als NachfolgerMinors genannt“67werde, wurde an derUni-
versität selbst bereits gegen ihnpolemisiert. StefanHock,Privatdozent an
derWiener Germanistik, verfasste nämlich eine „gegen Sauer gerichtete
Schrift“, die „unter denMitgliedern der Besetzungs-Kommission circu-
63 Protokoll der 2. Sitzung der Kommission zur Beratung über die Besetzung der
germanistischen Lehrkanzel nachHofrat ProfessorMinor am 11. Jänner 1913;
UAW,Phil.Fak.,Zl.495ex1912/13,PA1113WaltherBrecht.–Carl vonKraus
war zwar noch nicht offiziell berufen, dieVerhandlungenmit demMinisterium
warenaberbereitszueinemerfolgreichenAbschlussgekommen,worübernichtnur
dieKommissioninformiertwar,sondernauchdieTagespresseschonam14.Jänner
berichtet hatte. [Anonym:] Eine Neuberufung an die Wiener philosophische
Fakultät (1913).
64 BriefvonMuchanKrausvom21.Jänner1913;BSBMünchen,NachlassCarlvon
Kraus,Krausiana I.
65 Brief von Kraus an Rudolf Much (für die Kommission) vom 30. Jänner 1913
(Abschrift); BSBMünchen,NachlassCarl vonKraus,Krausiana I.
66 Brief von Schroeder anCarl vonKraus vom12. Februar 1913; BSBMünchen,
NachlassCarl vonKraus,Krausiana I.
67 [Anonym:]VomWiener germanistischen Seminar (1913).
I.2. Der Bruch 25
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Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Title
- Germanistik in Wien
- Subtitle
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Author
- Elisabeth Grabenweger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 290
- Keywords
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Category
- Lehrbücher