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die Lehrkanzel für deutsche Sprache und Literatur an derUniversität in
Wien […]mit dem1.April 1914 zuübernehmen“101.
Von all diesen Verhandlungen wurde das Professorenkollegium der
WienerphilosophischenFakultätweder vonCarl vonKrausnochoffiziell
vomMinisteriumunterrichtet. Am15.Dezember 1913, sechsTagenach
BrechtsZusage, richtetederDekaneinenBriefandasMinisteriummitder
Bitte, über den „Stand[ ] der Besetzung der freien germanistischen Lehr-
kanzel“ inKenntnisgesetzt zuwerden,undforderteesdazuauf, solltendie
mit Seuffert „geführten Verhandlungen gescheitert“ sein, „der Fakultät
tunlichst umgehend zur Erstattung neuer VorschlägeGelegenheit zu ge-
ben“.102Wie aus einem Vermerk der Unterrichtsverwaltung auf diesem
Schreibenhervorgeht, reagierte dasMinisteriumaufdieseAnfrage jedoch
nicht.
Am3.Februar1914schaltetesichaberStefanHock,dereinJahrzuvor
schonmiteinerStreitschriftgegenAugustSaueraufgetretenwar,erneut in
dieVerhandlungenein. IneinemausführlichenArtikel inderNeuenFreien
Presse tratHock entschieden gegenWaltherBrecht unddasAnsinnendes
Ministeriums auf, sich über die Entscheidung der Berufungskommission
hinwegzusetzen. Hock befürchtete, dass die Neuere deutsche Literatur-
geschichte,diesichmitWilhelmScherervonderÄlterenlosgelöstundihre
eigenen, der „Menge undMannigfaltigkeit desMaterials“ angemessenen
Methoden entwickelt habe, durch die allein vomAltgermanisten Kraus
gewünschte Berufung Brechts – eines, wie Hock betonte, „Gelehrten
dritten Ranges“ – erneut zu einem „Anhängsel der älterenGermanistik“
deklassiertwerde.Dabeiwäreesgerade jetzt,nachdemTodJakobMinors
undErich Schmidts, angezeigt, den „Zustand derUnruhe“undder „Re-
signation“, in dem sichdieNeugermanistik befände, durchdieBerufung
eines „Mann[es], […]derüber reicheakademischeErfahrungverfügt“, zu
beenden. Brecht wäre dazu nicht in der Lage.Weder dürften seine For-
schungen „Anspruch auf außergewöhnliche Bedeutung“ erheben, noch
könnteer,dessen„Arbeitskraft […]inetwazehnJahren[nur]zweigrößere
Publikationenhervorgebracht“hatte,mitdenAnforderungeneinergroßen
Universität wie derWiener umgehen. Seine Ausführungen schlossHock
mit demAusdruckdemonstrativerVerwunderungüber dasVorgehendes
Ministeriums und entschiedener Missachtung Walther Brechts: Auch
101 Brief vonBrechtandasMinisteriumfürKultusundUnterrichtvom9.Dezember
1913;ÖStA,AVA,MCU,Zl. 56210 ex 1913.
102 Brief vonRudolfWegscheiderandasMinisteriumfürKultusundUnterrichtvom
15.Dezember 1913;ÖStA,AVA,MCU,Zl. 57312 ex 1913.
I.2. Der Bruch 37
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Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Title
- Germanistik in Wien
- Subtitle
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Author
- Elisabeth Grabenweger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 290
- Keywords
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Category
- Lehrbücher