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abereineBerufungansWellesleyCollegeindenUSAan,wosiebiszuihrer
Emeritierung 1953blieb.249
Der letzteWiener Privatdozent, für dessen Habilitation Brecht ver-
antwortlich zeichnete, war Franz Koch, der bereits 1912, noch kurz vor
Minors Tod, bei diesem mit der Arbeit Albert Lindner als Dramatiker
promoviert hatte und danach bis 1935 als Bibliothekar in der Hofbi-
bliothekrespektiveNationalbibliothektätigwar.NachPublikationenüber
dieGeschichtedesBurgtheaters,überAspektedesBibliothekswesens,über
Goethe undSchiller habilitierte sichKoch1926mit seiner StudieGoethe
und Plotin undwar fortan (nebenberuflich) als Lehrbeauftragter am Se-
minar für Deutsche Philologie tätig. 1932 erhielt Koch den Titel eines
außerordentlichen Professors, 1935 wurde er als Nachfolger Gerhard
FrickesandieFriedrich-Wilhelms-Universität inBerlinberufen.Kochwar
wieKindermannMitgliedderGroßdeutschenPartei inÖsterreichundab
1937Mitglied derNSDAP.Während desNationalsozialismus trat Koch
außerdemalsHauptlektor des ,Amtes Schrifttumspflege‘ für das Fachge-
bietNeuere Literatur undGeistesgeschichte, als Leiter desWissenschaftli-
chen Einsatzes Deutscher Germanistik im Kriege und als Mitglied im
Sachverständigenbeiratdes sogenanntenReichsinstituts fürGeschichtedes
neuenDeutschlandshervor.Kochwurde1945entlassen,bereits1949aber
rehabilitiert.250
WaltherBrecht litt Zeit seinerWiener Professur, besonders nachZu-
sammenbruch der Monarchie unter materiellen Schwierigkeiten. Die
Besoldung eines ordentlichen Universitätsprofessors in Österreich, der
nichtaufeinFamilienvermögenzurückgreifenkonnte, reichtevorallemin
Wien in den 1920er Jahren nicht aus, um ein demBildungsbürgertum
angemessenen Lebensstil zu führen. 1918musste Brecht seineKinder in
einemSanatoriuminKönigsfeldinBadenunterbringen,dazuwenigEssen
verfügbarwar.251AlsHofmannsthal vonder finanziellenLagederBrechts
erfuhr, begann er,mit Kleidern und Lebensmitteln auszuhelfen.252 1921
249 ZuThalmann vgl.Kap. III.
250 ZuKochunddengenanntenInstitutionenvgl.Höppner:WissenschaftundMacht
(2010); ders.: Ein „verantwortungsbewußterMittler“ (1998).
251 Oels: „Denkmal der schönstenGemeinschaft“ (2007), S. 34–35.
252 Vgl.ErikaBrecht:ErinnerungenanHugovonHofmannsthal (1946), S. 60–62:
„Da kamdieser [Hofmannsthal, E.G.] einmal an einemgrauenNovembernach-
mittag[…]undbatmichumeineErklärung. […]Sobliebmirdennnichtsübrig,
als auf die immer eindringlicheren Fragen endlich auch unsere ewige, jahrelange
Geldnot zu erwähnen, diemit demHeranwachsen derKinder naturgemäß auch
immergrößerwurde.Als ichZahlennannte, fielunserFreundfastvomStuhl!Die
I. Die Verfasstheit derWiener
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Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Title
- Germanistik in Wien
- Subtitle
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Author
- Elisabeth Grabenweger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 290
- Keywords
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Category
- Lehrbücher