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Julius Petersen283und Josef Nadler: „[A]uf den hervorragendenVertreter
des Faches inBerlin (Petersen)“müsse, laut Brecht, von vornherein „ver-
zichtet werden“, „um nicht unnötigen Zeitverlust durch finanziell aus-
sichtsloseVerhandlungenentstehenzu lassen“.NadlersNamekamindem
Berichterstgarnichtvor; ineinemeinzigenSatzwurdeaberaucherausder
Anwärterliste gestrichen:
Die stammeskundlicheRichtung innerhalb der deutschen Literarhistorie er-
scheint dem Referenten, wie den nahestehenden Fachgenossen, in ihren
wissenschaftlichen Grundlagen nicht gefestigt genug, um sie an so verant-
wortungsvoller Stelle als die hierwünschenswerteste zu empfehlen.284
DassKluckhohnnachdiesemvonBrechtmoderiertenSchnellverfahrendas
WienerOrdinariattrotzdemerstzumSommersemester1927undnicht,wie
geplant, zumvorhergehendenWintersemester antrat, war keinenEinsprü-
chen durch Kollegen oder das Ministerium geschuldet, sondern einem
Ministerwechsel, derdieErledigungderAmtsgeschäfte verzögerte.285
Paul Kluckhohnwar zumZeitpunkt seiner Berufung nachWien or-
dentlicher Professor an der Technischen Hochschule Danzig. Er hatte
davor inHeidelberg,München,Göttingen undBerlinGermanistik,Ge-
schichte und Klassische Philologie studiert, 1909 mit der historischen
ArbeitDieMinisterialität in Südostdeutschland vom10. bis zumEnde des
13. Jahrhunderts bei Karl Brandi in Göttingen promoviert und sich im
November1913inMünster fürdasGesamtfachderDeutschenPhilologie
habilitiert. Die dafür eingereichte ArbeitDie Auffassung der Liebe in der
Literatur des 18. Jahrhunderts und in der deutschen Romantik konnte
kriegsbedingt erst 1922 erscheinen, erfuhr aber bereits 1931 eine zweite
Auflage und etablierte zusammenmit der 1923 erfolgtenGründung der
Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte
Kluckhohns Ruf als ebenso geistesgeschichtlich wie auch philologisch
versiertemForscher. In denNachrufenwurde gerade auch darauf hinge-
wiesen, dass Kluckhohn nicht nur als „Hauptvertreter der sogenannten
geistesgeschichtlichen Richtung“ zu sehen sei, sondern auch als „sorgfäl-
tige[r] undwohlgeschulte[r] Philologe[ ]“,286 dass ihnmithin „Offenheit
283 ZuPetersen vgl. Boden: Julius Petersen (1994).
284 Alle Zitate: Bericht der Kommission betreffend derWiederbesetzung der Lehr-
kanzel fürdeutscheSpracheundLiteraturnachProfessorBrechtvom5.Juni1926
(Abschrift);UAW,Phil. Fak., PA2216PaulKluckhohn.
285 Briefe vonBrecht anKluckhohnvom29. Juni und3. Juli 1926;DLAMarbach,
Bestand: PaulKluckhohn.
286 Meister: PaulKluckhohn [Nachruf] (1961), S. 360–361.
I.4. Paul Kluckhohn, Josef Nadler und das Ende der Privatdozenten 79
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Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Title
- Germanistik in Wien
- Subtitle
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Author
- Elisabeth Grabenweger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 290
- Keywords
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Category
- Lehrbücher