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Vorlesung eindrangen. Wieder schrien sie ihr „Juden raus“. Da nahm der
Professor seine Skriptenund sagte ruhig und laut: „Wir gehen alle.“296
DiePrivatdozenten, die sich bei seinemVorgängerBrecht habilitiert hat-
ten, wurden von Kluckhohn weiter gefördert.297 1929 erhielt außerdem
Brechts ehemaliger Dissertant, der Frühe-Neuzeit-Forscher Hans Rupp-
rich dieVenia Legendi.298MitRupprich hatten sich seit 1900 insgesamt
zehn Wissenschaftler undWissenschaftlerinnen in Wien allein für die
neuereAbteilung habilitiert: drei bei JakobMinor (Robert FranzArnold
1900,StefanHock1905,EduardCastle 1907); sechs, darunterdie ersten
Frauen, bei Walther Brecht (Rudolf Payer von Thurn 1921, Christine
Touaillon1921,HerbertCysarz 1922,MarianneThalmann1924,Heinz
Kindermann1924,FranzKoch1926)undeiner(HansRupprich)beiPaul
Kluckhohn. Die ältere Abteilung (inklusive der ihr angegliederten
Sprachwissenschaft) zählte seit der Jahrhundertwende immerhin fünf
Privatdozenten und eine Privatdozentin (Viktor Junk 1906, Dietrich
Kralik1914,AntonPfalz1919,LilyWeiser1927,EdmundWießner1927,
Walter Steinhauser 1927). Die Attraktivität der älteren Abteilung, die
gegenüber demneuerenFach zunehmend insHintertreffen geriet, wurde
vorallemdurchdenAltertumskundlerRudolfMuchaufrechterhalten,der
nebenJosef SeemüllerundspäterDietrichKralik–denbeidenOrdinarien
fürdas ältereFach– für zweider sechsHabilitationen (Pfalz, Steinhauser)
mitverantwortlich, in zwei Fällen (Kralik, Weiser) hauptverantwortlich
war.Mit vierweiterenPrivatdozenten inden1930er Jahren (OttoHöfler
1932,RudolfKriss1933,SiegfriedGutenbrunner1936,RichardWolfram
1936) warMuch unter denWiener Altgermanisten sowohl universitäts-
politisch als auch in der wissenschaftlichenDefinition des Fachs der er-
folgreichste.299
Während die Anzahl der Privatdozenten seit der Jahrhundertwende
kontinuierlich anstieg, waren der Status und die Bedeutung der Privat-
dozentur einem gesellschaftlichen und universitätsorganisatorischen Ab-
stieg unterworfen, der das Prestige und die konkrete pekuniäre Situation
296 Lachs:Warum schaust du zurück (1986), S. 151–152.
297 Vgl.dieBriefeBrechtsanKluckhohn(DLAMarbach;Bestände:PaulKluckhohn;
Deutsche Vierteljahrsschrift), in denen sich die beiden Germanisten über das
akademische Fortkommender Privatdozenten austauschen.
298 Aufgrund der ArbeitWillibald Pirckheimer und Dürers erste Reise nach Italien
(1930), in der Rupprich in einer ausführlichenWürdigungWalther Brecht als
seinemmaßgeblichenLehrer huldigte.
299 ZuRudolfMuchund zurWienerAltgermanistik vgl.Kap. IV.1.
I. Die Verfasstheit derWiener
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Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Title
- Germanistik in Wien
- Subtitle
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Author
- Elisabeth Grabenweger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 290
- Keywords
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Category
- Lehrbücher