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Dass die Privatdozentur seit der Jahrhundertwende keine sichere
Aussicht mehr auf eine ordentliche Professur darstellte und damit zuse-
hends anPrestigeundgesellschaftlicherBedeutungverlor, hatte vor allem
mit der zunehmendenDisproportion von Lehrenden und Lernenden zu
tun, alsomit demAnstieg der Studierendenzahlen bei gleichzeitiger Sta-
gnationdesStellenplansanderUniversität.WährenddieAnzahlderHörer
undHörerinnen anderphilosophischenFakultät sprunghaft anstieg, sich
zwischen1898und1932mehr als versechsfachte,309bliebdieAnzahl der
Professurennahezugleich:1898gabes51ordentlicheLehrkanzelnund20
Extraordinariate ander philosophischenFakultät, 1933nurunwesentlich
mehr, nämlich 55 Ordinariate und 34 Extraordinariate.310 Diese Ent-
wicklungbedeutete zumeinen,dassdieHauptlastderuniversitärenLehre
vonPrivatdozenten getragenwerdenmusste, dass siemithin für dieUni-
versitätunabdingbargewordenwaren,daohnesiederlaufendeLehrbetrieb
nicht aufrechterhalten werden konnte.311 Gleichzeitig verlor die Privat-
dozenturdadurchaberauchihrealteBedeutungals sichererWegzueinem
Ordinariat, da es zuwenige Professuren gab.Die Privatdozentur, die seit
der Universitätsreform von 1848/49 als „Ausgangspunkt für die akade-
mischeLaufbahn“gelten sollte,wurde „fürdieMehrzahlderSchluß-und
Endpunkt ihres Fortkommens“.312
Hinzu kam, dass die staatlichen Sparmaßnahmen inden1920er und
1930er Jahren den Universitätsbetrieb massiv beeinträchtigten. Zwar
brachtederKampfderHochschullehrerummaterielleBesserstellung1921
zunächst einBesoldungsgesetz zu ihrenGunsten,bereits 1924wurdeaber
ein neuesGesetz verabschiedet, in demdie ordentlichen Professoren um
eine, die außerordentlichen Professoren um zwei Dienstklassen zurück-
gesetztwurdenunddamitumeinigesschlechterbezahltwurdenalsnochin
derMonarchie.313Darüber hinauswurden inden1920er Jahren einzelne
Habilitationen vomMinisteriumnurdannbestätigt, wennderBewerber
bzw.dieBewerberineineformelleErklärungabgab,auf jedefixeBesoldung
309 ImSommersemester 1898 studierten 879Hörer undHörerinnen an der philo-
sophischen Fakultät inWien, imWintersemester 1932 waren es bereits 5.287.
310 Vgl.Meister: Die staatlichen Ersparungsmaßnahmen und die Lage derWissen-
schaft (1933), S. 15–16.
311 ImStudienjahr1918/19standenanderphilosophischenFakultät52ordentlichen
Professoren bereits 114 Privatdozenten gegenüber. – Denkschrift der Privatdo-
zentenderUniversitätWienvom12. Jänner1919;UAW,Phil.Fak., S29, fol. 1.
312 Castle:Die Lage derHochschullehrer (1926), S. 3.
313 Vgl.Castle:DieLage derHochschullehrer (1926), S. 3.
I.4. Paul Kluckhohn, Josef Nadler und das Ende der Privatdozenten 85
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Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Title
- Germanistik in Wien
- Subtitle
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Author
- Elisabeth Grabenweger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 290
- Keywords
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Category
- Lehrbücher