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wurdedasGutachten zwar angenommen, jedoch ,nur‘mit zwanzig gegen
zehnStimmen.FürdenRektorOttoCuntz, der alsAltphilologe ebenfalls
dem philosophischen Professorenkollegium angehörte, drückte das Gut-
achten nicht explizit genug eine ablehnende Haltung aus, weshalb er
forderte, dass sich „die Fakultät [grundsätzlich] gegen die Zulassung der
Frauen zurHabilitation“ausspreche.43DadieserAntragmit 16 gegen14
Stimmenabgelehntwurde, fügteerdemGutachteneinenNachtraghinzu,
in dem er „starke Bedenken“ äußerte, „ob Frauen überhaupt im Stande
sind, auf jungeMänner […] den erforderlichen persönlichen pädagogi-
schenEinfluß zunehmen“.44
Machen schon die einzelnen Stellungnahmen der Fakultäten keinen
Hehl daraus, dass sie der Habilitation von Frauen, wenn nicht klar ab-
lehnend, dann doch zumindest ziemlich skeptisch gegenüberstanden, so
fügte der Akademische Senat in dem auf der Basis der einzelnen Stel-
lungnahmen verfassten offiziellen Gutachten, das am 18. Februar 1920
demMinisteriumfürInneresundUnterrichtübermitteltwurde,nocheine
weitere ablehnendeArgumentationslinie hinzu:
Die Frage, ob Frauen zur Privatdozentur zuzulassen sind, ist nicht vom
Standpunkte des, eine petitio principii enthaltenden Schlagwortes der öf-
fentlich-rechtlichen Gleichberechtigung der Frauen mit denMännern und
auchnicht vomStandpunkte einzelner hervorragendbegabter Frauen aus zu
beurteilen.DieFrage ist vielmehrdie, ist es vomStandpunktederUniversität
wertvoll,wennFrauendievenia legendi anUniversitätenerteiltwerdenkann.
Diese Frage ist auch von denjenigen, die wissenschaftliche Arbeiten von
Frauen hoch einschätzen, für die ungeheureMehrzahl der Fälle, also grund-
sätzlich zu verneinen.
Bei objektiverBeurteilungwirdmangewiss nichtbehauptendürfen, dass die
bisherige Ausschliessung der Frauen von der Privatdozentur die wissen-
schaftliche Stellung unsererUniversitäten irgendwie beeinträchtigt hätte.45
OttoGlöckel, derUnterstaatssekretär für Inneres undUnterricht, unter-
strich gegenüber der Grazer Universität seine Forderung nach der
Gleichstellung von Männern und Frauen bei Habilitationsverfahren
43 Protokoll der 3. ordentlichen Sitzung des Professorenkollegiums der philosophi-
schenFakultät vom5.Dezember 1919 (Schriftführer: Franz Faltis);UAG,Phil.
Fak., Z. 580 ex 1919/20.
44 HandschriftlicheNotiz desRektorsOttoCuntz vom8.Dezember 1919 auf der
Stellungnahme der philosophischen Fakultät zur Zulassung von Frauen zur Pri-
vatdozentur, o.D. [2. Dezember 1919]; UAG, Phil. Fak., Z. 558 ex 1919/20.
45 DadasbetreffendeGutachtenimUniversitätsarchivGraznichtauffindbarist,wird
hier zit. n.Kernbauer:Die ersten akademischenLehrerinnen (1996), S. 194.
II. Christine Touaillon
(1878–1928)98
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Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Title
- Germanistik in Wien
- Subtitle
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Author
- Elisabeth Grabenweger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 290
- Keywords
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Category
- Lehrbücher