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Vorbehalte durch, die gegen das Thema derHabilitationsschrift und die
Wissenschaftlerin ins Feld geführt werden könnten, und entkräftete sie
sogleich.57
Nach diesen, auf persönlichen Einflussnahmen beruhenden Vorbe-
reitungen traf TouaillonsHabilitationsantrag auf eineKommission58, die,
zumindest laut Sitzungsprotokollen, keinWort darüber verlor, dass über
die Habilitation einer Frau verhandelt wurde. Touaillons Habilitations-
schrift wurde als „[r]espektable Leistung“ mit „[g]ute[r] Fragestellung“
(Brecht) bezeichnet, ihr selbst eine „sehr gründliche Bildung“ (Jellinek)
attestiertundauchvon ihrer „Persönlichkeit“hattedieKommissioneinen
„guten Eindruck“ (Brecht,Much).59Die aus den erhaltenen Akten her-
vorgehende Diskussion war hauptsächlich von den teilweise konträren
Ansichten des Professorenkollegiums über den Charakter idealtypischer
Wissenschaft bestimmt. Dabei stand die Frage der innerfachlichenDif-
ferenzierung imMittelpunkt:Nämlich,obTouaillondieLehrbefugnis für
das ganzeFachoder ob ihr,wie es ohnehinbereitsUsuswar, im Interesse
der weiteren institutionellen Etablierung eines Teilgebiets dieVenia Leg-
endi nur für die neuere Abteilung verliehenwerden sollte.60NachHabi-
litationskolloquium und Probevortrag über „Die Entwicklung der deut-
schen Kinderliteratur“ sprach sich das Professorenkollegium der
philosophischenFakultät am18. Juni 1921 für dieVerleihung der Lehr-
befugnis für „neuere deutsche Literaturgeschichte“ aus, worüber dasMi-
nisteriumam30. Juni1921 informiertwurde.61ZweiWochen später, am
57 Sauer: Christine Touaillon, Der deutsche Frauenroman des 18. Jahrhunderts
[Rez.] (1921).ZudenRezensionen vgl. auchKap. II.2.
58 Der Kommission, die am 14. Juni 1919 vonDekan Karl Diener (Geographie)
einberufenwurde,gehörtendieGermanistenWaltherBrecht,RudolfMuch,Max
Hermann Jellinek und Robert Franz Arnold sowie Karl Ettmayer (Romanische
Philologie), Paul Kretschmer (Sprachwissenschaft), EdmundHauler (Klassische
Philologie),OswaldRedlich(Geschichte),FriedrichBecke(Mineralogie)undKarl
Luick (Englische Philologie) an.
59 Protokoll des Kommissionssitzung betreffend das Gesuch von Dr. Christine
TouaillonumErteilungderVenia legendi fürneueredeutscheLiteraturgeschichte
vom7.Dezember1920;UAW,Phil.Fak.,Zl.939ex1920/21,PA3462Christine
Touaillon.
60 Protokoll des Kommissionssitzung betreffend das Gesuch von Dr. Christine
TouaillonumErteilungderVenia legendi fürneueredeutscheLiteraturgeschichte
vom7.Dezember1920;UAW,Phil.Fak.,Zl.939ex1920/21,PA3462Christine
Touaillon.
61 Brief desDekanats andasMinisterium für Inneres undUnterricht vom30. Juni
1921; ÖStA, AVA, Unterricht allgemein, Philosophie Professoren, MCU
Zl. 14978 ex 1921, PAChristineTouaillon.
II.1. ZwischenUniversität und Staatsverfassung 101
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Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Title
- Germanistik in Wien
- Subtitle
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Author
- Elisabeth Grabenweger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 290
- Keywords
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Category
- Lehrbücher