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gewähltundvonderDurchführungtrotzungeheurerSchwierigkeiten139nicht
abgelassen. Ein durch und durch weibliches Buch. Das ist sehr erfreulich.
GeradeinunsererWissenschafterscheintesalsdringendgeboten,daßbegabte
Forscherinnen nicht jede beliebige Arbeit machen, die ein gleichbegabter
Mann auch leisten kann […].140
DerWunsch Sauers, dass Wissenschafterinnen nicht dieselben Gebiete
bearbeitenwieWissenschafter, verweist aufdenZusammenhangzwischen
ThemenwahlundakademischerKarriere.So legitimierteSauerTouaillons
Arbeit dadurch, dass er – in der Logik der Geschlechtscharaktere argu-
mentierend–ihrenForschungsgegenstandals einen ,natürlichweiblichen‘
herausstrich; ihmalso einenOrt zuwies, der in der traditionellmännlich
dominierten Nationalphilologie einen äußerst unsicheren Stellenwert
hatte. Diese thematische Marginalisierung beinhaltete gleichzeitig aber
auch dieMöglichkeit, sich nicht in die Hierarchie der zeitgenössischen
Forschungsgegenstände einzuschreiben unddamit auf diesemGebietmit
denmännlichenKollegennichtdirekt inKonkurrenz zu treten.Demnach
erlaubteTouaillonsSpezialisierungaufrandständigeForschungsgebietedie
im 18. Jahrhundert bereits implementierte Sektoralisierungweiterzufüh-
ren; innerhalbdiesesHandlungsspielraums (undnur indiesem) führte sie
aber auch zurAkzeptanz auf Ebenendes universitärenFeldes, die bislang
als unerreichbar gegolten hatten.
Die Festschreibung auf ,frauenspezifische‘ Themen wurde Christine
Touaillon in ihrer nur sieben Jahre andauernden Privatdozentinnentätig-
keit freilich nichtmehr los. Bereits 1921 hatte sich dieWienerHabilita-
tionskommissionvondendreivonTouaillonvorgeschlagenenThemenfür
das Probekolloquium „Unterströmungen im deutschen Roman des
18. Jahrhunderts“, „KarolineAugusteFischer“und„DieEntwicklungder
deutschen Kinderliteratur“ einstimmig für das letztgenannte entschie-
den.141 Für das von PaulMerker undWolfgang Stammler 1925 heraus-
gegebene Standardwerk Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte ver-
fasste sie denBeitrag „Frauendichtung“;142bereits in der zweitenAuflage
fehlt jedoch nicht nur Touaillons Artikel, der Bereich ,Frauenliteratur‘
139 Sauer sprach damit die vonTouaillon imVorwort erwähnte schwierigeMateri-
albeschaffung an, die durch ihrenWohnort, den ErstenWeltkrieg und die Auf-
findbarkeitderoftnurinOriginalausgabenvorhandenenBücherbehindertwurde.
140 Sauer: Christine Touaillon, Der deutsche Frauenroman des 18. Jahrhunderts
[Rez.] (1921), S. 737–738.
141 ProtokollderKommissionssitzungvom23.Mai1921;UAW,Phil.Fak.,PA3462
ChristineTouaillon.
142 Touaillon: Frauendichtung (1925).
II.4. Themenwahl und akademische Karriere 133
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Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Title
- Germanistik in Wien
- Subtitle
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Author
- Elisabeth Grabenweger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 290
- Keywords
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Category
- Lehrbücher