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IV.1.Altertums- undGermanenkunde –
RudolfMuch (1862–1936)
Bei Rudolf Much, in dessen GravitationsbereichWeiser studierte, pro-
movierteundsichhabilitierte,handeltees sichumeinenGermanisten,der
dem zeitgenössischen Bedürfnis nach einer lebensumfassenden, deutsch-
nationalenAusrichtung deswissenschaftlichenFeldes und seinerAkteure
entsprach.20Amtreffendsten,wennauch–nichtnurgenrebedingt–ohne
kritischeDistanz, formulierte dies 1937 sein erfolgreichster SchülerOtto
Höfler in einemNachruf.HöflernenntMuchdarin „eine scharf geprägte
Führergestalt“ der „deutsche[n] Germanistik“ und bezeichnet ihn als
„Philologe[n] von jener Art, deren Hochbild wir in JAKOB GRIMM
verehren“.21Der Vergleichmit JacobGrimmbedeutete fürHöfler, dass
RUDOLFMUCH[…]einer vondenen [war], die sichnichtnurumWorte
undWörterbemühen, sonderndienachdemlebendigenLogos forschenund
ihmalsganzeMenschendurcheinvike¸mverbundensind.Unddassollte jader
SinnunsererWissenschaft sein.
MUCHhatdenLogosnicht imAbstraktengesucht, sondern indenDingen.
[…] Damit aber ist ihm seine Philologie in notwendiger Entwicklung zu
einem lebendigen Teil der Geschichte geworden. In einer Epoche, deren
Geisteswissenschaft sonstmeist geblendet war von den abstrakten Erkennt-
nisidealen des sog. „naturwissenschaftlichen“Denkens, istMUCHunbeirrt
Historiker geblieben. IhmwarGermanistik zuletzt dieWissenschaft vonden
Germanen und vomdeutschenVolk.22
WennHöfler1937wieder auf JacobGrimm,einender,Gründungsväter‘
derUniversitätsgermanistik, rekurrierte, die ,abstrakte‘Naturwissenschaft
in der Philologie anprangerte und wie selbstverständlich dieMuch’sche
Germanistik als „Wissenschaft von den Germanen und vom deutschen
Volk“definierte,dannistzunächstanWilhelmScherersGrimm-Buchvon
1865/1885zudenken.23DiehieraufMuchangewendetenCharakteristika
20 Explizit zuRudolfMuch,dessenForschungstätigkeitund-erfolg einigesüberden
,deutschen‘GeisteszustandimerstenDritteldes20.Jahrhundertsaussagen,gibtes
wenig Sekundärliteratur.Das ist umsobedauerlicher, als es gerade anhand seiner
Personmöglichwäre, darzustellen,wiedie ,alldeutschen‘ Intellektuellen agierten,
ohne damit in das Dilemma zu geraten, seine Tätigkeit ausschließlich auf den
nachkommenden, staatspolitischen Nationalsozialismus beziehen zu müssen.
Much starb am 8.März 1936, also zwei Jahre vor dem ,Anschluss‘ Österreichs.
21 Höfler: RudolfMuch [Nekrolog] (1937), S.VII.
22 Höfler: RudolfMuch [Nekrolog] (1937), S.VII–VIII.
23 Scherer: JacobGrimm(1865);ders.: JacobGrimm(1885).–FürdiesenHinweis
danke ichWernerMichler, Salzburg.
IV.1. Altertums- undGermanenkunde 187
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Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Title
- Germanistik in Wien
- Subtitle
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Author
- Elisabeth Grabenweger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 290
- Keywords
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Category
- Lehrbücher