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erfahrenheit/ über die banck zuziehen ; vnd zwar nicht ohn dieselbige billich
ent<26>zündung/ die euch offentlich zubeschänden/ erfordert wird.
Damit ich aber von eurem gantzen leben/ einen desto bessern bericht einziehe/ so
sagt mir zugefallen dise drey sachen : Wer seyt Jhr ? Warum schreibt Jhr ? oder was
schreibt Jhr ? So vil das erste nun betrifft/ möcht ich wissen/ wer Jhr seyt : ob Jhr
dann gelehrte/ oder nur verfuhrer/ züchtiger oder verhetzer/ Außleger oder Spöt-
ter/ gesetz-geber oder verbrecher/ Maister oder schulbuben/ verbessert oder verbö-
sert/ Apostel oder abtrünnige/ Chri<27>sten oder wider-Christen/ Monsichtige
oder besessene/ Menschen oder Vieh seyt ? Jhr nennt vnd vnderschreibet euch zwar
Hirten : Wann ich ewre Thorheit aber genau besieh/ so scheinet Jhr mir eher rei-
dige Schaff/ alß Hirten ; gedenck ich eurer Boßheit nach/ so halt ich euch vil eher
Wölff/ alß Schaffe seyn. Vnd wer hat euch disen Hirten-stab gegeben ? habt Jhr jhn
villeicht vom Herrn/ wie sein hoher Priester jhn gehabt/ da Jhm gesagt worden :
Weide meine Schaff ! nun ist ja kein zweiffel/ daß Christus aller Hirten/ Hirt gewesen.
<28> (Jch bin ein gutter Hirt) sagt Er/ dahero müssen alle andere abrieß/ nach disem
grund-bild/ so das beyspiel aller vnserer handlungen/ gericht seyn.
Ja werd Jhr mir sagen/ wir seynd auß der zahl/ der verbesserten/ oder verbesserer ;
vnd seynd nit mehr verbunden/ seinem Leben nach zufolgen : wir selbsten wollen
jhn vnderweisen. Gut geredt/ aber dise vnerweisung zu beginnen/ ist vonnöthen/
daß der andere abzug/ besser seye alß der erste/ dannenhero erfolgen müste/ daß
Jhr besser weret/ alß der selbste alten sachen Schöpffer : <29> kan ich also billich
wider fragen/ wer seyt Jhr ? was freyheiten habt Jhr ? was vor beweise zeigt Jhr ?
wer seynd euere Patriarchen/ eure Heiligen/ eure dapfere Lehrer ? der Calvinus/
der Luther/ vnd der andere Abfaum eines Volcks ; die hefen/ (sag ich) aller gros-
sen Laster von der welt.
Wolan/ so weiß man auch gar wol/ was eines guten Hirtens Ampt vnd schuldig-
keit mit sich bringt. Ein gutter Hirt gibt sein leben vor die Schaffe. Lasst vns aber
sehen wie dann Jhr/ mit eurer Herde <30> vmbgeht. Jhr bedient sie an statt der
heilsamen kräutter mit schierling/ eysenhütlein/ vnd wolffs-kraut. Jhr träncket
sie mit trüben wasser/ ja/ was sage ich/ mit gifft-stinckender kothlacken.
Jhr stellet sie in stinckende ställe/ vnd die voller vnflat stecken.
Jhr hütet sie weder vor Dieben/ oder wilden Thieren. Jhr beschert sie nit allein/ sondern
zieht jhnen auch die haut ab. was ists dann hernach für wunder/ wann sie schwartze
milch geben/ vnd mit eurer Seuche angestekkt/ so ellendig dahin fallen. Ein Miedling
aber der kein <31> Hirt ist/ deß die Schaff nit eigen seynd/ sihet den Wolff kommen/ vnd
verlässt die Schaff vnd flieht/ vnd der Wolff erhascht vnd zerstreüt die Schaffe.6
6 Ioh. 10.
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Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 170
- Keywords
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Übersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
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- Weiteres Belletristik