Page - 119 - in Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Image of the Page - 119 -
Text of the Page - 119 -
119Der
Kontext der Gegenreformation in Paris 1617 und in Wien 1655
Um 1650 lebten immer noch zahlreiche Protestanten in Wien, was jedoch vor allem auf die
groĂe Zahl der in Wien lebenden AuslĂ€nder und ihr Gefolge zurĂŒckzufĂŒhren ist : Gesandte
protestantischer MÀchte, die »Niederleger« und protestantische Mitglieder der in Wien
ansĂ€ssigen Reichsbehörden, die alle diplomatische oder andere Sonderstellungen besaĂen.
Gesandtschaftskapellen (v. a. die der dÀnischen und der schwedischen Vertretung) waren
auch die einzigen offiziell erlaubten StĂ€tten evangelischer ReligionsausĂŒbung in Wien. Eine
wichtige Gruppe von Privilegierten waren die »Niederleger«, die ReprÀsentanten fremder
GroĂ handelsfirmen.47
Damit ist der Weg frei fĂŒr die rigorosen MaĂnahmen der Gegenreformation in den
letzten Jahren der Regierung von Ferdinand III., welche sich ohne die Proteste seitens
der Bevölkerung und ohne derart einschneidende wirtschaftliche Folgen wie 25 Jahre
davor gegen eine kleine Minderheit richten, welche nun eher eine symbolische spiritu-
elle als eine tatsĂ€chliche politische Bedrohung darstellen dĂŒrfte. Es handelt sich offen-
sichtlich mehr um den Versuch einer Kompensation fĂŒr das Misslingen der wesentlich
weiter gesteckten Ambition einer völligen Wiederbekehrung des Deutschen Reiches :
Nach dem groĂen Krieg, dessen Ausgang die Hoffnungen der katholischen Optimisten auf
eine generelle Rekatholisierung des Reiches völlig enttĂ€uschen muĂte, der darĂŒber hinaus
nicht einmal ein wiedererstarktes katholisches Kaisertum gebracht hatte, war Habsburg auf
sich selbst, auf seine dynastischen Reserven zurĂŒckverwiesen und wollte wenigstens in seinen
Erblanden das verwirklichen, was ihm im Reich versagt geblieben war. Man kennt die Neu-
organisation dieser kaiserlichen Erblande im Zeichen des Katholizismus, die Zentralisie-
rung Habsburgischen Glanzes in Wien. Das BewuĂtsein, als Garant und SchĂŒtzer des alten
Glaubens im Reich ausgespielt zu haben, verlieh der innerhabsburgischen Selbstdarstellung
zusĂ€tzliche IntensitĂ€tÂ
â man wollte eine katholische Monarchie und deren Wirksamkeit nach
auĂen demonstrieren.48
Die keineswegs mehr mit den ZwĂ€ngen des Kriegszustandes begrĂŒndete Strenge
scheint dem missionarischen Geist des erwÀhnten kaiserlichen Gelöbnisses und dem
revanchistischen Streben nach einem vollkommenen Triumph der katholischen Insti-
tutionen verpflichtet, welche aus Wien jene europÀische Bastion der römischen Kirche
machen möchten, als welche sie einige Jahrzehnte danach auch der osmanischen Ag-
47 Stögmann : Staat, Kirche und BĂŒrgerschaft, S. 551.
48 Ruprecht Wimmer : Constantinus redivivus. Habsburg im Jesuitendrama des 17. Jahrhunderts. In : Her-
bert Zeman (Hg.) : Die österreichische Literatur. Ihr Profil von den AnfÀngen im Mittelalter bis ins 18.
Jahrhundert (1050â1750). Teil 2. Graz 1986, S. 1093â1116 ; hier S. 1110.
back to the
book Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655"
Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 170
- Keywords
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Ăbersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
- Categories
- Weiteres Belletristik