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Kontext der Gegenreformation in Paris 1617 und in Wien 1655
Um 1650 lebten immer noch zahlreiche Protestanten in Wien, was jedoch vor allem auf die
große Zahl der in Wien lebenden Ausländer und ihr Gefolge zurückzuführen ist : Gesandte
protestantischer Mächte, die »Niederleger« und protestantische Mitglieder der in Wien
ansässigen Reichsbehörden, die alle diplomatische oder andere Sonderstellungen besaßen.
Gesandtschaftskapellen (v. a. die der dänischen und der schwedischen Vertretung) waren
auch die einzigen offiziell erlaubten Stätten evangelischer Religionsausübung in Wien. Eine
wichtige Gruppe von Privilegierten waren die »Niederleger«, die Repräsentanten fremder
Groß handelsfirmen.47
Damit ist der Weg frei für die rigorosen Maßnahmen der Gegenreformation in den
letzten Jahren der Regierung von Ferdinand III., welche sich ohne die Proteste seitens
der Bevölkerung und ohne derart einschneidende wirtschaftliche Folgen wie 25 Jahre
davor gegen eine kleine Minderheit richten, welche nun eher eine symbolische spiritu-
elle als eine tatsächliche politische Bedrohung darstellen dürfte. Es handelt sich offen-
sichtlich mehr um den Versuch einer Kompensation für das Misslingen der wesentlich
weiter gesteckten Ambition einer völligen Wiederbekehrung des Deutschen Reiches :
Nach dem großen Krieg, dessen Ausgang die Hoffnungen der katholischen Optimisten auf
eine generelle Rekatholisierung des Reiches völlig enttäuschen mußte, der darüber hinaus
nicht einmal ein wiedererstarktes katholisches Kaisertum gebracht hatte, war Habsburg auf
sich selbst, auf seine dynastischen Reserven zurückverwiesen und wollte wenigstens in seinen
Erblanden das verwirklichen, was ihm im Reich versagt geblieben war. Man kennt die Neu-
organisation dieser kaiserlichen Erblande im Zeichen des Katholizismus, die Zentralisie-
rung Habsburgischen Glanzes in Wien. Das Bewußtsein, als Garant und Schützer des alten
Glaubens im Reich ausgespielt zu haben, verlieh der innerhabsburgischen Selbstdarstellung
zusätzliche Intensität
– man wollte eine katholische Monarchie und deren Wirksamkeit nach
außen demonstrieren.48
Die keineswegs mehr mit den Zwängen des Kriegszustandes begründete Strenge
scheint dem missionarischen Geist des erwähnten kaiserlichen Gelöbnisses und dem
revanchistischen Streben nach einem vollkommenen Triumph der katholischen Insti-
tutionen verpflichtet, welche aus Wien jene europäische Bastion der römischen Kirche
machen möchten, als welche sie einige Jahrzehnte danach auch der osmanischen Ag-
47 Stögmann : Staat, Kirche und Bürgerschaft, S. 551.
48 Ruprecht Wimmer : Constantinus redivivus. Habsburg im Jesuitendrama des 17. Jahrhunderts. In : Her-
bert Zeman (Hg.) : Die österreichische Literatur. Ihr Profil von den Anfängen im Mittelalter bis ins 18.
Jahrhundert (1050–1750). Teil 2. Graz 1986, S. 1093–1116 ; hier S. 1110.
Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 170
- Schlagwörter
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Übersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
- Kategorien
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