Page - 15 - in Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
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15Glaube
und Gewalt
Gesamtzahl von 14 Publikationen mit Verweis auf »religious violence«, zählt
er für die Jahre 2002 bis 2018 beeindruckende 115 Treffer; eine Kollektiv-
treffwortsuche nach religion und violence zählt 126 Verweise bis 2001 und
1 208 für die Periode danach5. Dass eine Großzahl dieser Literatur dem isla-
misch legitimierten Terrorismus gewidmet ist, wird kaum überraschen, doch
auch andere Formen von religionsbezogener Gewalt gerieten in den letzten
Jahren vermehrt in den Blick der Forscher und Forscherinnen6. Eine solche
Zunahme garantiert aber keine systematische Analyse »religiöser Gewalt«,
zumal die Literatur mit dem Begriff ganz unterschiedliche Konfliktkonstel-
lationen verbindet – eine konzeptionelle Unschärfe, die auch mit der poten-
ziell polarisierenden Fragestellung nach dem Gewaltpotenzial von Religion
zusammenhängt. Anstatt von einer durch den Begriff »religiöse Gewalt« nar-
rativ gesetzten Kausalität auszugehen, soll deshalb in diesem Band nach dem
Verhältnis von Glaube und Gewalt gefragt werden. Der Fokus liegt dabei auf
einer akteurszentrierten Perspektive, d.h. es wird gefragt, wie Gläubige mit
Blick auf ihre religiöse Zugehörigkeit Gewalt initiiert, inszeniert und ausge-
tragen, aber auch vorbereitet, legitimiert und gedeutet haben.
Die Kapitel in diesem Band untersuchen die mannigfachen Beziehungen
zwischen katholischem Glauben und Gewalt im 19. Jahrhundert. Sie behan-
deln sowohl reale Ausschreitungen als auch die semantische Deutung, Legi-
timierung und Vorbereitung von Gewalt. Der Fokus auf dem Katholizismus
dient dem Vergleich und unterstreicht darüber hinaus das Spannungsver-
hältnis zwischen der Internationalität sowie dem universalen Anspruch der
Römisch-Katholischen Kirche und der Lokalität von Gewaltkulturen. Zeit-
lich reichen die Beiträge von der Französischen Revolution bis zum Ersten
Weltkrieg, eine Periode, die grenzüberschreitend von innerkirchlichen Zen-
tralisierungsbestrebungen und politischen Neuerungsprozessen gekenn-
zeichnet war. Geographisch umfassen die Kapitel Europa samt seinen Kolo-
nien und Lateinamerika, wobei der Schwerpunkt auf Erstgenanntem liegt;
damit liegt der Fokus auf Gewaltkulturen, die entweder in Europa oder in
der Interaktion mit europäischen Akteuren stattfanden bzw. im Zusam-
menhang mit aus Europa stammenden Ideen entstanden. Diese Engführung
5 Das läuft auf eine Veracht- bzw. Verneunfachung hinaus, trotz der Tatsache, dass
es sich hier nur um ein Drittel der Jahre handelt. Vgl. Onlinekatalog der »Library of
Congress«, URL: <https://catalog.loc.gov/> (30.03.2019). Eine ähnliche Entwicklung
verzeichnet die Deutsche Nationalbibliothek: »religiöse Gewalt«: 3 (Periode 1945–
2001) und 11 (2002–2018) Treffer / »Religion« und »Gewalt«: 18 (Periode 1945–2001)
und 101 (2002–2018) Treffer. Vgl. Onlinekatalog der Deutschen Nationalbibliothek,
URL: <https://www.dnb.de/DE/Kataloge/kataloge_node.html> (30.03.2019).
6 Für einen Überblick über das Verhältnis von Gewalt und Frieden in den verschiede-
nen Weltreligionen, bei dem allerdings das Friedenspotenzial hervorgehoben wird,
siehe auch Reinhold Mokrosch u.a. (Hg.), Religionen und Weltfrieden. Friedens-
und Konfliktlösungspotenziale von Religionsgemeinschaften, Stuttgart 2013.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918