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17Glaube
und Gewalt
das Wesen der »religiösen Gewalt« vorgestellt; dieser Abschnitt dient der
konzeptionellen Vertiefung und beleuchtet zudem den Mehrwert des hier
vorgenommenen historischen Ansatzes. Als Drittes folgt eine knappe Über-
sicht über die bisherige historiographische Auseinandersetzung mit Glaube
und Gewalt in der Neuzeit. Zum Schluss werden die Gliederung dieses Ban-
des erläutert und die einzelnen Kapitel kurz vorgestellt. Ein allgemeines Fazit
findet sich gesondert am Ende des Bandes.
Der Katholizismus und die Herausforderungen des
19. Jahrhunderts
Dass das Verhältnis von Glaube und Gewalt in der Zeit zwischen Französi-
scher Revolution und dem Ende des Ersten Weltkriegs eher wenig erforscht
ist, hat vermutlich zwei Gründe. Erstens hat sich die historische Gewaltfor-
schung nie besonders für das Thema Religion interessiert – was bereits für
die Protestforschung galt, die von der marxistischen Historiographie der
1950/60er Jahre und der amerikanischen Soziologie der 1970er Jahre beein-
flusst war10. Obwohl Protestforscher aufgrund ihres Fokus auf ökonomische
und soziale Aspekte für die Zeit nach 1850 lange eine Überlegenheit von pro-
aktiver Gewalt – d.h. Gewalt, die auf das Erringen von neuen Rechten und
Änderungen abzielt – festgestellt haben, unterstreicht gerade die in diesem
Band verfolgte Ausrichtung auf Gewalt in einem religiös-weltanschaulichen
Rahmen das Fortbestehen reaktiver Gewalt 11. Der zweite Grund, weshalb
die Beziehung von Glaube und Gewalt ein für das 19. Jahrhundert weniger
beachtetes Thema ist, hängt mit der Ausrichtung der Religionsgeschichte
zusammen, die sich für diese Zeit vorwiegend mit anderen Themen beschäf-
tigt hat. Einige dieser Aspekte, wie innerkirchliche Reformen und religiöse
Kultur, werden hier knapp vorgestellt. Angesichts der thematischen, geogra-
phischen und epochalen Verschiedenheit der Beiträge stehen transnationale
Entwicklungen in der Römisch-Katholischen Kirche im Zentrum.
10 Wichtige Impulse für die historische Gewaltforschung kamen zuletzt vom Bielefel-
der Sonderforschungsbereich 584 (»Das Politische als Kommunikationsraum in der
Geschichte«); siehe exemplarisch Neithard Bulst u.a. (Hg.), Gewalt im politischen
Raum. Fallanalysen vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M.
2008.
11 Vgl. Charles Tilly u.a., The Rebellious Century, 1830–1930, Cambridge 1975, S. 51.
Der Schnitt um 1850 war auch in der älteren deutschsprachigen Protestforschung
gängig. Eine Zusammenfassung gibt Manfred Gailus, Was macht eigentlich die his-
torische Protestforschung? Rückblicke, Resümee und Perspektiven, in: Mitteilungs-
blatt des Instituts für soziale Bewegungen 34 (2005), S. 127–154. Zu diesem Problem
siehe auch mein aktuelles Forschungsprojekt »Catholic Crowd Action. The Violent
Conflict over Public Religion in Europe, 1864–1914«.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918