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80 Eveline G. Bouwers
Kain und Abel45. Auch für das Journal de Bruxelles und Het Handelsblad van
Antwerpen stand fest, dass die Regierung durch »Machtmissbrauch«
– damit
war die vermeintlich illegale Räumung des Lokals gemeint – katholische
Protestakte hatte provozieren wollen46. Zugleich gaben mehrere katholisch-
klerikale Zeitungen zu, dass die Protestierenden aufgebracht gewesen waren,
dass sie mit (kleineren) Projektilen geworfen hatten und ins betroffene Lokal
gedrängt waren: allesamt jedoch »Dummejungenstreiche«47. In den regie-
rungstreuen Zeitungen war man sich dennoch einig, dass der Klerus und
mächtige Laien seit Monaten gegen das Schulgesetz wetterten, die Gläubigen
zum Widerstand ermutigt hatten und eine »Revolution« oder einen »Bürger-
krieg« anstrebten48. In dieser Version saßen die Schuldigen im Pfarrhaus und
beim Fürsorgeamt, das die Heuler Jugendkongregation unerwähnt gelassen
und somit das Eingreifen notwendig gemacht hatte. Was die Schüsse betraf,
hatten die Gendarmen nur gefeuert, um – so L’ Étoile Belge – nicht selber
»massakriert« zu werden49. Die Waffengewalt sei eine »legitime Verteidi-
gung« gegen aggressive Katholiken gewesen, befanden auch L’ Écho du Parle-
ment und L’ Indépendance Belge50.
Der Gegensatz von angriffslustiger Staatsgewalt und gewaltsamem katho-
lischen Protest kehrte auch in den hier nicht näher betrachteten parlamen-
tarischen Debatten um die Heuler Ereignisse zurück, sowie in den Urteilen
der Kortrijker und Genter Gerichte51. Das Landgericht zielte auf die Recht-
mäßigkeit von Bouez Mission, die es für gesetzeswidrig befand; zum einen
durfte das Fürsorgeamt seine Mieter selber aussuchen, zum anderen war die
Sonntagsschule rechtzeitig aus dem Gebäude gezogen (anders als die Kon-
gregation, doch dazu gab es im Schulgesetz keine Vorgaben). Die Protestakte
wurden nur zweitranging behandelt und die verschiedenen Angeklagten –
darunter einige Randalierer, die in das Gebäude eingedrungen waren –
erhielten aufgrund von »Schmähung« der Staatsbehörde Strafen von 8 bis
15 Tagen Haft (sowie 26 bis 50 Francs Bußgeld)52. Die liberalen Zeitungen
45 Ebd., 3.
Oktober 1880. Für den Verweis auf Kain und Abel siehe auch Le Tournaisien,
10. Oktober 1880.
46 Journal de Bruxelles, 3., 7. und 12. Oktober 1880.
47 Ebd., 8. Oktober 1880.
48 L’ Écho du Parlement, 3. Oktober 1880; L’ Indépendance Belge, 3. Oktober 1880.
49 L’ Étoile Belge, zitiert nach Journal de Bruxelles, 3. Oktober 1880.
50 L’ Écho du Parlement, 3. Oktober 1880; L’ Indépendance Belge, 4. Oktober 1880.
51 Journal de Bruxelles, 9.–13. Dezember 1880; Het Handelsblad van Antwerpen,
9.–10. Dezember 1880; L’ Écho du Parlement, 10.–11. Dezember 1880; L’ Indépen-
dance Belge, 10. Dezember 1880; Le Bien Public, 11. Dezember 1880.
52 Le Bein Public, 28.–31. Dezember 1880 und 2. Januar 188; L’ Indépendance Belge,
28.–29. Dezember 1880 und 8., 21.–22., 29 Januar 1881; Het Handelsblad van Ant-
werpen, 28., 30.–31.
Dezember 1880 und 1., 8., 19.
Januar 1881; L’ Écho du Parlement,
28.–31.
Dezember 1880 und 2., 22.
Januar 1881; Journal de Bruxelles, 29.–31.
Dezem-
ber 1880.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918