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Vor 1918
Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
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105Katholischer Pluralismus und die Gewalt der religioneros sie etwa dem »Heiligsten Herz Jesu« und »Unserer Lieben Frau« in Lourdes galten. Kulturelle Reformen sollten schließlich die bisweilen ungestüme und gesellige, volkstümliche Religiosität Mexikos durch nach innen gerichtete und durch den Klerus besser kontrollierbare Praktiken ersetzen. In der Tat sieht es so aus, als hätten manche Kirchenobere im von der libe- ralen Regierung verhängten Verbot der öffentlichen Religionsausübung eine Gelegenheit erkannt, volkstümliche Gebräuche zu reformieren. In León z.B. nahm Bischof Diez de Sollano 1867 das Verbot von Sakramentsprozessionen zum Anlass, auch andere, mithin populärere Prozessionen zu verbieten. Wie er erklärte: [U]nter den gegenwärtigen Umständen wird man keinerlei Art von Prozessionen gestatten, denn dies würde darauf hinauslaufen, das Volk zu betrügen, indem man es glauben macht, dass man den Bildern mehr Verehrung schuldet als dem Heiligs- ten Sakrament, und so lange letzteres nicht in der Fronleichnamsprozession, die zur dogmatischen vorgeschriebenen Liturgie gehört, [aus der Kirche] getragen werden darf, dies zur Sterbekommunion nur im verborgenen geschieht, kann keine Erlaubnis für die Prozessionen von Bildern gegeben werden, solange die Kirche ihre kanonische Freiheit nicht wiedererlangt hat39. Der Bischof stellte damit die zahllosen volkstümlichen Kulte Mexikos unter das von der Kirche vorgeschriebene Mysterium der Transsubstantiation; die Verantwortung dafür konnte er der liberalen Gesetzgebung zuschieben. Die drei Erzbischöfe des Landes nahmen eine ähnliche Haltung ein. In einem gemeinsamen Hirtenbrief riefen sie 1875 die Gläubigen auf, solche mit Feiertagen verbundenen Missbräuche wie Tanz, Trunkenheit und Glücksspiel auszurotten40. Ultramontanen Reformern schwebte eine Religion vor, die privater und reglementierter sein würde, losgelöst von den kollektiven, öffentlichen Feierlichkeiten der kolonialen Vergangenheit. Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass die Reformer zuweilen die liberalen Einwände gegen die mexikanische Religiosität  – sie sei exzessiv, irrational und ganz nach außen gerichtet  – wiederzugeben schienen41. Doch der Ultramontanismus stärkte auch die Stellung der Laien, indem er das Wachstum neuer geistlicher, karitativer und pädagogischer Vereinigun- gen förderte, wie sie sich zwischen 1840 und 1877 in Mexiko vervielfachten42. 39 José María de Jesús Diez de Sollano, Vigésima prima carta pastoral que el Ilmo. y Rmo. Sr.  Obispo de León, Dr. y Maestro. D. José María de Jesús Diez de Sollano y Dávalos dirige a su Ilmo. y v. cabildo, señores curas, y v. clero, León 1879, S.  31f. 40 Instrucción pastoral, S.  313f. 41 Vgl. Stauffer, Victory on Earth, Kap.  2. 42 Zur wachsenden Bedeutung des katholischen Verbandswesens vgl. Cecilia Bautista García, Las disyuntivas del Estado y de la Iglesia en la consolidación del orden libe-
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Glaubenskämpfe Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Title
Glaubenskämpfe
Subtitle
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Editor
Eveline Bouwers
Publisher
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Date
2019
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-10158-8
Size
15.9 x 23.7 cm
Pages
362
Keywords
19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
Categories
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