Page - 118 - in Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
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118 Péter Techet
warum gewalttätige Konflikte auf dem religiösen Feld bzw. mit der Amtskir-
che auf der lokalen Ebene entstehen konnten3.
Zuerst wird Ricmanje in der geographischen und geistigen Nähe von Triest
verortet. Danach wird die Konfliktgeschichte
– die bis jetzt eher makrohisto-
risch im Kontext der Nationalitätenfrage erzählt wurde4 – anhand lokaler
Primärquellen rekonstruiert: Welches Konfliktpotenzial lag im slowenisch-
sprachigen Hinterland von Triest vor? Und warum geriet gerade Ricmanje in
eine besondere Konfliktspirale, welche die Bewohner immer mehr von der
katholischen Kirche
– und letztendlich der katholischen Religion
– entfrem-
dete? Am Ende des Kapitels wird kurz auch die unterschiedliche Handha-
bung solcher Konfliktfälle in den zwei Reichshälften der Habsburgermonar-
chie (Österreich und Ungarn-Kroatien) angesprochen.
Ricmanje im nationalpolitischen Kontext:
Raum und Sprache
Die Frage, ob der in der Habsburgermonarchie seit der Mitte des 19. Jahr-
hunderts voranschreitende Prozess der ethnisch-nationalen Selbstverortung
als Grundlage des Kirchenstreites in Ricmanje zu betrachten ist5, erfährt
infolge der geographischen Lage des Dorfes eine besondere Relevanz. Auch
wenn Ricmanje ausschließlich slowenischsprachig bewohnt war (nach der
Volkszählung von 1900 lebten 617 Menschen in Ricmanje, von denen 616
römisch-katholisch und 609 slowenischsprachig waren)6, befand es sich an
3 In meiner Dissertation, die ich am 8. April 2019 an der Johannes Gutenberg-Uni-
versität Mainz verteidigt habe, setze ich mich mit mehreren Konflikten aus dem
oberadriatischen Raum auseinander, die sich zwischen 1890 und 1914 ereigneten;
siehe auch Péter Techet, Gewalt in der Kirche. Innerkatholische Konflikte im
ländlichen Hinterland der österreichisch-ungarischen Küstenregion, 1890–1914.
Inauguraldissertation im Fach Mittlere und Neuere Geschichte zur Erlangung des
Akademischen Grades eines Dr. phil. Vorgelegt dem Fachbereich Geschichts- und
Kulturwissenschaften an der Johannes-Guttenberg-Universität, Mainz 2018.
4 Ricmanje gilt in der Historiographie als ein Beispiel des innerkatholischen »Nationa-
litätenkonfliktes«, siehe auch Giampaolo Valdevit, Chiesa e lotte nazionali: il caso
di Trieste (1850–1918), Udine 1979, S. 197–200; Tomaž Simčič, Jakob Ukmar (1878–
1971). Sto let slovenstva in krščanstva v Trstu, Gorica 1986, S. 50–60; Alojz Rebula,
Jakob Ukmar, Pordenone 1992, S. 10 –15; Andreas Gottsmann, Rom und die natio-
nalen Katholizismen in der Donaumonarchie. Römischer Universalismus, habsbur-
gische Reichspolitik und nationale Identitäten 1878–1914, Wien 2010, S. 158–163.
5 Die ethnisch-nationale Selbstverortung übertönte ab der Mitte des 19. Jahrhun-
derts in den habsburgischen Gebieten immer mehr die anderen Identitäten, vgl.
Konrad Clewing, Staatensystem und innerstaatliches Agieren im multiethnischen
Raum: Südosteuropa im langen 19. Jahrhundert, in: Konrad Clewing / Oliver Jens
Schmitt (Hg.), Geschichte Südosteuropas. Vom frühen Mittelalter bis zur Gegen-
wart, Regensburg 2011, S. 432–553, hier S. 505f.
6 K.K. Statistische Zentralkommission (Hg.), Gemeindelexikon der im Reichsrathe
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918