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226 Sean Farrell
Diese Erzählung verbreitete sich nicht nur über Zeitungen. Binnen weni-
ger Tage verwiesen Wortführer der Oranier wie der Earl of Enniskillen, der
Publizist und spätere Politiker William Johnston aus Ballykilbeg und der
Geistliche Thomas Drew auf den Vorfall in Trillick als Beweis für eine nicht
näher definierte katholische Gefahr. Sie sprachen vor ihren Logenbrüdern
und hielten Brandreden vor zahlreichen Unterstützern, die keiner Überzeu-
gungsarbeit mehr bedurften. Besonders hemmungslos sprach Drew vor einer
protestantischen Versammlung im November 1854 in der Grafschaft Down,
wo er behauptete, über schriftliche Beweise für eine direkte Beteiligung des
Papstes an der Verschwörung von Trillick zu verfügen, was er mit einem
theatralisch emporgehaltenen Blatt unterstrich22. Nicht nur der »gute Dr.
Drew«, berüchtigt als Polemiker und Hetzer gegen alles Katholische, äußerte
sich so. Vor einer öffentlichen Versammlung in Enniskillen erklärte Oberst
Henry A. Cole, der High Sheriff der Grafschaft Fermanagh und überdies
Bruder des Earl of Enniskillen, dass dem Mordanschlag von Trillick allein
das gescheiterte Sprengstoffattentat auf das englische Parlament von 1605
beiseitegestellt werden könne. Zugleich aber beruhigte Cole seine Zuhörer,
denn »derselbe Gott, welcher damals solche ruchlosen Pläne durchkreuzte,
sei auch heute gegenwärtig und bereit, dies abermals zu tun«23. Als Edward
Maguire, ein örtlicher Landbesitzer und Friedensrichter katholischen Glau-
bens, auf derselben Versammlung sich über die antikatholische Rhetorik
beklagte, wurde er niedergebrüllt24. Fürsprecher der ultraprotestantischen
und oranischen Sache konnten die Geschichte von Trillick gut gebrauchen,
bot sie doch die Möglichkeit, klangvolle historisch-konfessionelle Motive zu
ihren eigenen politischen Zwecken zu aktualisieren.
Solche Gräuelerzählungen fanden in den 1850er Jahren auch deshalb ein
größeres Publikum, weil neue Technologien den Raum des irischen Gemein-
wesens kleiner erscheinen ließen. Eine in diesem Zusammenhang maßgebli-
che Veränderung betraf die Zeitungsindustrie. Im Jahrzehnt nach der großen
Hungersnot erlebte die irische Presse ein dramatisches Wachstum, wozu die
Abschaffung der sogenannten »Wissenssteuern« durch die britische Regie-
rung teilweise beitrug: Aufgehoben wurden die Steuer auf Anzeigen (1853),
die Stempelsteuer auf Zeitungen (1855) und die Steuer auf Papier (1861).
Die Dubliner Presse durchlebte zu jener Zeit einen ganz bemerkenswerten
22 Tagebücher von William Johnston, 10. November 1854 (Johnston Papers, PRONI,
D.880 / 2 / 6). Es ist außerdem belegbar, dass Drew vor einer Logenversammlung in
Belfast einen Brief des Earl of Enniskillen, der von Trillick handelte, las. So steht es
im Protokoll der Eldin Orange Lodge, 13.
November 1854 (Museum of Orange Heri-
tage, Belfast).
23 Belfast News Letter, 6. Oktober 1854.
24 Ähnliche Reaktionen finden sich in Belfast News Letter, 18.
September 1854; Dublin
Evening Mail, 1854; Liverpool Mail, 23.
September 1854; Details Connected with the
Trillick Tragedy.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918