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Bahnfrevel von Trillick
Anstieg; zwischen 1851 und 1854 verdreifachte sich die Zahl der für in der
Stadt veröffentlichte Wochenblätter erteilten Stempel. Diese Entwicklung
beschränkte sich jedoch nicht auf Dublin. Einer Berechnung von Marie-Lou-
ise Legg zufolge hat sich die Zahl der in Irland abseits der Hauptstadt publi-
zierten Zeitungen zwischen 1850 und 1861 mehr als verdoppelt25. Besonders
lebendig war der provinzielle Zeitungsmarkt im Norden, etwa in Belfast, wo
zwei Neugründungen auffällig eingehend über den Bahnfrevel von Trillick
und sein juristisches Nachspiel berichteten: der Belfast Mercury (1851) des
bereits erwähnten James Simms sowie das radikal-nationalistische Blatt The
Ulsterman, das seit 1852 von Dennis Holland, einem ehemaligen Angehöri-
gen des revolutionären »Jungen Irland«, herausgegeben wurde. Dieser dyna-
mische und immer stärker von Konkurrenz geprägte Zeitungsmarkt war ein
wesentlicher Faktor in der sich beschleunigenden Vertiefung konfessionel-
ler Gräben während der 1850er Jahre. Zeitungen ermöglichten den weiteren
Umlauf konfessioneller Erzählungen und versahen sie überdies mit einer rei-
ßerischen Aufmachung. Nirgends wurde dies so deutlich wie in der Causa
Trillick.
Der Eisenbahn selbst kam in der konfessionell-politischen Mobilisierung
eine entscheidende Rolle zu. Sie ermöglichte es Aktivisten, ihre Unterstüt-
zer aus verstreuten Ortschaften an einem zentralen Ort zu versammeln und
damit ihre zahlenmäßige Macht besonders effektiv zur Schau zu stellen. In
einer weitgehend ländlich geprägten Gesellschaft konnte dies die Politik ins-
gesamt verändern. Im Nordwesten Irlands zeigte sich dies besonders deut-
lich. Die »Londonderry and Enniskillen Railway« wurde Anfang der 1850er
Jahre erbaut, um den Landwirten den Zugang zu städtischen Märkten zu
erleichtern und den Nordwesten insgesamt besser in das bestehende Eisen-
bahnnetz zu integrieren. Zwar brachte die Eisenbahn selbst ihren Betreibern
kaum Gewinn, doch trug sie zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region
bei. Auch die politischen Auswirkungen waren klar erkennbar: Die konser-
vativen Eliten der Region bedienten sich der »Londonderry and Enniskillen
Railway« sowie anderer Linien, um ihre Präsenz in Derry zu verstärken.
Auf diese Weise wurden aus ehedem rein lokalen Feierlichkeiten »öffent-
liche Demonstrationen physischer Stärke«26. Der Bahnfrevel von Trillick
traf eines der ersten Unterfangen, eine ultraprotestantische und konserva-
tive Unterstützerbasis mithilfe der Eisenbahn zu mobilisieren, und war Teil
breiterer Bestrebungen, die Deutungsmacht über die »wahre« protestan
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25 Vgl. Ann Andrews, Newspapers and Newsmakers. The Dublin Nationalist Press
in the Mid-Nineteenth Century, Liverpool 2014, S. 166–170; Marie-Louise Legg,
Newspapers and Nationalism. The Irish Provincial Press, 1850–1892, Dublin
1999, S. 30.
26 First Report of the Commissioners Appointed to Inquire into Municipal Corpora-
tions in Ireland (23), HC 1835, XXVII, S. 1.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918