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Richard Hölzl
Missionare als Opfer muslimischer Gewalt?
Zur Konstruktion, Verbreitung und Wirkung eines Erzählmusters
während des Kolonialkriegs an der ostafrikanischen Küste, 1888 / 1889
In den Jahren 1888 und 1889 vollzog die deutsche Reichsregierung endgül-
tig die Wende vom indirekten, über Handelsgesellschaften wie der 1882 von
Carl Peters gegründeten »Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft« (DOAG)
vermittelten Kolonialismus zur direkten staatlichen Kolonialherrschaft.
Anlass zu dieser kolonialpolitischen Wende war der kriegerische Widerstand
der ostafrikanischen Küstenbevölkerung gegen die DOAG. Diese versuchte,
den Handel mit Hilfe von Zollstationen entlang der Küste unter ihre Kont-
rolle zu bringen und die Marktmacht der arabischen und Swahili-Händler
zu brechen1. Im Reichstag stellte die Regierung Bismarck den Kolonialkrieg
als Religionskrieg und Aufstand der Sklavenhändler gegen die humanitäre
Intervention christlicher, europäischer Mächte dar. Der Konflikt zwischen
der DOAG und der Küstenbevölkerung dauerte bereits ein halbes Jahr und
die deutsche Marine hatte eine Blockade des Küstenhandels durchgesetzt,
als im Januar 1889 die Stationen der Berliner Mission in Daressalam und
der deutschen Missionsbenediktiner in Pugu zerstört, drei katholische Mis-
sionsangehörige getötet und weitere entführt wurden. Dies konnte von der
Reichsregierung als Beleg für einen Religionskrieg gewertet werden, eine
Deutung der Gewalt, die bereits von den Missionsbenediktinern unmittel-
bar nach Bekanntwerden der Ereignisse verbreitet wurde: Ihr Gründer und
Leiter Andreas Amrhein schrieb vom »Fanatismus [der] Anhänger der Fahne
Mohammeds und der Rache der Sklavenhändler«2. Dass der Anführer der
Küstenbevölkerung, Abushiri ibn Salim al-Harthi, gegenüber französischen
Missionaren vor Ort verkündet hatte, der Kampf richte sich nicht gegen
die Missionen und sie stünden unter seinem Schutz, fand keine Erwäh-
1 Vgl. Michael Pesek, Koloniale Herrschaft in Ostafrika. Expeditionen, Militär und
Verwaltung seit 1880, Frankfurt a.M. u.a. 2005, S. 185–189.
2 Andreas Amrhein, Bericht und Aufruf zur Befreiung der gefangenen Missionäre
und Missions-Schwestern in Ostafrika, 16. Januar 1889, Archiv der Missionsbene-
diktiner in St. Ottilien [ArchOtt] Z.1.06.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918