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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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4 I. Einleitung Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft¶ Diese Zuschrift an die Linzer Polizei löste gegen insgesamt acht Perso- nen Ermittlungen wegen » Unzucht wider die Natur « aus, die von Anfang Juli bis Anfang September 1922 dauerten. Im Dezember desselben Jah- res wurden die Erhebungen schließlich eingestellt: Franz K., der Verfas- ser der » Tragödie eines Homosexuellen «, war » wegen Geisteskrankheit nicht verfolgbar [ . ], der Beweis hinsichtlich der Übrigen schwierig « 2. Bis es so weit war, hatten vielfältige Aushandlungs- und Verhandlungspro- zesse zwischen den Beschuldigten und den Strafverfolgungsbehörden stattgefunden, in denen das » Unzüchtige « auf unterschiedliche Weise zur Sprache gekommen war. Dieses Sprechen über » Unzuchtshandlun- gen « und über » unzüchtig Handelnde « war eingebettet in einen breite- ren juristischen Diskurs, aus dem es sich einerseits selbst speiste, auf den es aber auch zurückwirkte. Er umfasste parlamentarische Debat- ten über eine Reform des Strafrechts, daraus resultierende Strafrechts- entwürfe, die höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des Straftatbestandes und die Auseinandersetzung damit in der Rechtswis- senschaft. Seine Wurzeln reichten weit in die Geschichte des österrei- chischen Strafrechts zurück. Die Strafbarkeit der gleichgeschlechtlichen Unzucht hatte in Öster- reich eine lange Tradition. Von den Anfängen einer eigenständigen ös- terreichischen Strafrechtsentwicklung bis zu den 1970 er Jahren pönali- sierte das österreichische Strafrecht die » Unzucht wider die Natur «, seit dem Strafgesetzbuch von Joseph II. aus dem Jahr 1787 3 allerdings nur mehr in Gestalt der sodomia ratione sexus ( mit einer Person desselben Ge- schlechts ) und der sodomia ratione generis ( mit einem Tier ).4 Innerhalb der Sittlichkeitsdelikte wies die gleichgeschlechtliche Unzucht zwei Be- sonderheiten auf: Erstens diente der Straftatbestand weniger dem Schutz eines Individualrechtsgutes 5 als vielmehr der Sicherung abstrakter religi- öser und sittlicher Sexualwerte. Für das Vorliegen gleichgeschlechtlicher Unzucht wurde nicht etwa Zwang oder Gewalt gefordert – pönalisiert 2 OÖLA, BG / LG Linz Sch 295, Vr IX 1098 / 22, Antrag der Staatsanwaltschaft Linz vom 2. September 1922. 3 Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung. Kundge- macht mit Patent vom 13. Jänner 1787 ( JGS Nr 611 ). 4 Zu diesen Begriffen auch Feuerbach Paul Johann Anselm von, Lehrbuch des gemei- nen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts 14 ( 1847, 2. Neudruck der 14. Aufl 1986 ) 740. 5 In der Terminologie der Kriminalsoziologie handelte es sich daher bei der gleichge- schlechtlichen Unzucht um eine » Straftat ohne Opfer «. Siehe dazu Lautmann Rüdiger, Der Zwang zur Tugend. Die gesellschaftliche Kontrolle der Sexualitäten ( 1984 ) 98.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Title
Verkehrte Leidenschaft
Subtitle
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Author
Elisabeth Greif
Publisher
Jan Sramek Verlag
Location
Wien
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Size
15.0 x 23.0 cm
Pages
478
Category
Recht und Politik
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