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Einleitung
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
litischen Verbrechens schuldig. « Der Versuch war bei den politischen
Verbrechen gem § 4 des 2. Abschnittes nicht strafbar. Hatte die Tat öf-
fentliches Ärgernis erregt, so sah § 72 als Strafe Züchtigung mit Schlä-
gen, zeitliche öffentliche Arbeit und Abschaffung von dem Ort vor, wo
das öffentliche Ärgernis erregt worden war. War das Verbrechen hinge-
gen » nur weniger bekannt geworden «, bestand die Strafe in zeitlichem
strengen 120 Gefängnis, verschärft durch Fasten und Züchtigung mit
Streichen. Zeitliche öffentliche Arbeit oder zeitliches Gefängnis bedeu-
tete gem § 17 des 2. Abschnittes des Josephinischen Strafgesetzbuchs
eine Strafdauer von einem Tag bis zu einem Monat. Die Todesstrafe
war generell nur mehr im standrechtlichen Verfahren vorgesehen,121
fehlte daher auch bei der Unzucht zwischen Personen des gleichen Ge-
schlechts. Die Auffassung ĂĽber die StrafwĂĽrdigkeit des Deliktes hatte
sich allerdings nicht gänzlich,122 sondern nur graduell verändert: Aus
dem Verbrechen gegen die göttliche Ordnung war ein politisches Ver-
brechen geworden. DarĂĽber hinaus darf nicht auĂźer Acht gelassen wer-
den, dass eine Verurteilung zu öffentlicher Arbeit, wie dem meist tödlich
endenden Schiffziehen,123 ein indirektes Todesurteil bedeuten konn-
te.124 Erst durch die Kriminalgerichtsordnung 1788 125 wurde das Schiff-
ziehen auf jene männlichen Verbrecher beschränkt, die wegen Mor-
des, Raubes oder Brandlegung zu hartem Gefängnis und öffentlicher
120 Die Verurteilten waren mit Eisen an den FĂĽĂźen zu halten, erhielten bloĂźe Bretter
als Bettstatt, durften Besuch nur im Beisein einer obrigkeitlichen Person emp-
fangen, bekamen als Getränk ausschließlich Wasser und erhielten angemessene
Arbeit zugewiesen ( § 13 II. Teil des Josefinischen Strafgesetzbuchs ).
121 § 20. Die Todesstrafe soll ausser den Verbrechen, bei welchen nach dem Gesetze
mit Standrecht verfahren werden muß, nicht statt finden. [ … ].
122 So aber Praetorius Numa, Die strafrechtlichen Bestimmungen gegen den gleich-
geschlechtlichen Verkehr historisch und kritisch dargestellt, in Wissenschaftlich-
humanitäres Comitée ( hg ), Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen unter besonderer
Berücksichtigung der Homosexualität, Band II ( 1899 ) 97 ( 128 ); dagegen Wachenfeld
Friedrich, Homosexualität 25; gegen Wachenfeld neuerlich Praetorius Numa, Homo-
sexualität und Strafgesetz von Dr. F. Wachenfeld, Professor der Rechte Rostock. Be-
richt und Widerlegung, in Wissenschaftlich-humanitäres Comitée ( hg ), Jahrbuch für
sexuelle Zwischenstufen unter besonderer Berücksichtigung der Homosexualität
( 1908 ) 670 ( 685 f ).
123 » Schiffziehen « oder » Treideln « bezeichnet das Strom aufwärts Ziehen von Schiffen
von Land aus durch Menschen oder Tiere.
124 Zu den drakonischen Strafen des Josephinischen Strafgesetzes vgl auch Stooss Carl,
Gedanken 6 ff. Hinweise darauf, dass das Schiffziehen auch bei einer Verurteilung
wegen widernatĂĽrlicher Unzucht zur Anwendung kam, existieren allerdings nicht,
vgl Eder Franz X., Kultur 78.
125 Patent vom 17. Juni 1788, JGS 848.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Title
- Verkehrte Leidenschaft
- Subtitle
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Author
- Elisabeth Greif
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 478
- Category
- Recht und Politik