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Das Strafgesetz 1852
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
Verbrechen sowie die Ăśbertretungen des Diebstahls, der Veruntreuung
oder Teilnahme an diesen und des Betruges beschränkt. Bei Verurtei-
lungen nach § 129 I b StG 1852 hatte die Unfähigkeit zur Erlangung der
im § 26 StG 1852 genannten Vorzüge und Berechtigungen mit dem Ab-
lauf von zehn Jahren bei Verurteilung zu einer wenigstens fünfjährigen
Kerkerstrafe, sonst mit dem Ablauf von fĂĽnf Jahren nach Strafende zu
enden. Die Bestimmungen ĂĽber den Verlust des aktiven und passiven
Wahlrechts blieben hingegen unberĂĽhrt. Durch die Novelle 1867 kam
es zu einer Unterscheidung zwischen entehrenden und nicht-entehren-
den strafbaren Handlungen, wobei zu letzteren insbesondere politische
Verbrechen zählten. Mit der Verurteilung wegen eines nicht-entehren-
den Verbrechens sollte kein Verlust der bĂĽrgerlichen und politischen
Rechte sowie der Ehrenrechte einhergehen.192
Das Gesetz vom 1. April 1872 193 ordnete an, dass zeitliche Kerker- und
Arreststrafen nach Maßgabe der räumlichen Möglichkeiten grundsätz-
lich in Einzelhaft vollstreckt werden sollten. Die Strafe war jedenfalls
in Einzelhaft zu vollziehen, wenn sie durch höchstens achtmonatige
Anhaltung in Einzelhaft verbĂĽĂźt werden konnte oder das Urteil eine
höchstens achtzehnmonatige Freiheitsstrafe verhängt hatte und Besse-
rung der oder des Verurteilten zu erwarten war. In allen anderen Fällen
sollten die Verurteilten zu Beginn der Strafzeit mindestens acht Monate,
jedoch nicht länger als drei Jahre in Einzelhaft gehalten werden.
2. Auslegung
Die Auslegung des Straftatbestandes der gleichgeschlechtlichen Unzucht
wider die Natur mit Personen desselben Geschlechts stellte die Lehre
und die Rechtsprechung auch unter dem Strafgesetz 1852 weiterhin vor
Schwierigkeiten. Durch die Neufassung des Straftatbestandes der Schän-
dung ergaben sich außerdem Abgrenzungsfragen zwischen § 128 und
192 Vgl Nicoladoni Alexander, Der Verlust der politischen, bĂĽrgerlichen und Ehren-
rechte infolge strafgerichtlicher Verurteilung und die Rehabilitation in Ă–sterreich,
ZStW 1907, 677 ( 684 f ). Die Bezeichnung » entehrende « und » nichtentehrende «
strafbare Handlung finden sich in der Novelle selbst nicht. Wahlberg hatte das
Abgehen von der Unterscheidung zwischen entehrenden und nicht-entehrenden
Verbrechen durch das StG 1803 beziehungsweise 1852 als Bruch mit der österrei-
chischen Rechtstradition erachtet, vgl Wahlberg Wilhelm Emil, Ehrenfolgen 1, 6 f.
193 G vom 1. April 1872, betreffend die Vollziehung von Freiheitsstrafen in Einzelhaft
und die Bestellung von Strafvollzugs-Commissionen, RGBl 1872 / 43.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Title
- Verkehrte Leidenschaft
- Subtitle
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Author
- Elisabeth Greif
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 478
- Category
- Recht und Politik