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Das Strafgesetz 1852
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
Die erstinstanzliche Rechtsprechung bewegte sich nicht immer im
Einklang mit den höchstgerichtlichen Entscheidungen und nahm mit-
unter auch in Fällen, die nach dem eben Geschilderten allenfalls Schän-
dung darstellen konnten, gleichgeschlechtliche Unzucht an. Am 30. De-
zember 1925 war der fünfzehnjährige Markus M. dabei betreten worden,
wie er dem siebenjährigen Roman G. in der Nähe des Linzer Gasthauses
» Jägermayr « mit einer Gerte Schläge auf das nackte Hinterteil versetzt.
Markus M. hatte den Jungen zufällig getroffen und ihn durch ein Ge-
schenk dazu bewogen, mit ihm zu gehen:
» Die Örtlichkeit beim Pissoir war günstig und nun gab er dem
Kinde Ohrfeigen, wobei ihn ein sexuelles WollustgefĂĽhl ĂĽber-
kam. Durch Fesselung bzw. durch die Schmerzerhöhung beim
Kinde hoffte er neuerliche LustgefĂĽhle, die auch eintraten.
Durch die Schläge steigerte er diese und suchte den Höhepunkt
durch Schläge auf den nackten Hinterteil, von dessen blossem
Anblicke er neuerliche Lust erwartete, zu steigern. Der Erfolg
blieb nicht aus. Nachdem das Kind entlaufen war, suchte sich M.
eine abgeschiedene Stelle, um dort in Erinnerung an den Vorfall
zu onanieren, wurde aber durch die Festnahme gehindert. « 220
Das Landesgericht Linz verurteilte Markus M. wegen Unzucht wider die
Natur in Konkurrenz mit dem Verbrechen der öffentlichen Gewalttä-
tigkeit durch unbefugte Einschränkung der persönlichen Freiheit des
Menschen nach §§ 129 I b, 193 StG 1852 zu zwei Monaten strengem Ar-
rest. Der Strafvollzug wurde fĂĽr die Probezeit von drei Jahren aufge-
schoben.
Mit Urteil vom 14. März 1928 verurteilte das Landesgericht Linz den
36-jährigen Müllergehilfen Johann G. zu einer achtmonatigen Kerker-
strafe, verschärft durch einen Fasttag und ein hartes Lager monatlich.
Johann G. hatte den neunjährigen Johann W. am Heimweg von der
Schule im Gemeindegebiet Aich in einen Wald gelockt, ihm das Ge-
säß entblößt und ihm mit seinem Gehstock ein Dutzend Stockhiebe
versetzt. Anlässlich seiner Vernehmung durch die Gendarmerie gab Jo-
hann G. zu, dies zur Befriedigung seiner geschlechtlichen Lust getan zu
haben. Dass darüber hinaus eine Tathandlung iSd § 129 I b StG erfolgt
wäre, stellten weder die Anzeige noch das Urteil fest. Dennoch erfolgten
220 OÖLA, BG / LG Linz Sch 315, Vr VI E 24 / 26, Anzeige vom 2. Jänner 1926.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Title
- Verkehrte Leidenschaft
- Subtitle
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Author
- Elisabeth Greif
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 478
- Category
- Recht und Politik