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310 VII. Von der Anzeige zur Anklage
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
wurden diese angewiesen, die Tabellen zu sammeln und fortlaufend
zu nummerieren, sowie einen alphabetischen Index der beschriebenen
Personen anzulegen. Neu war außerdem, dass Polizei und politische
Behörde den Sicherheitsbehörden, Gerichten und Staatsanwaltschaf-
ten auf » Anlangen « Auskünfte aus darin enthaltenen Aufzeichnungen
erteilen mussten.1378 1897 wurden die Auskunftstabellen durch Strafkar-
ten ersetzt.1379 Sie enthielten Rubriken für die Personalien der Verur-
teilten, die um die berufliche Stellung, Schulbildung und Vermögens-
verhältnisse sowie eine genaue Auflistung allfälliger Vorstrafen ergänzt
wurden. Anmerkungen über den Lebenswandel, die körperliche oder
sittliche Beschaffenheit entfielen dagegen. Die nach den Namen der
Verurteilten geordneten Strafkarten bildeten das Strafregister, dessen
Führung der Staatsanwaltschaft übertragen wurde. Die Zuständigkeit
des Strafregisteramtes richtete sich grundsätzlich nach dem Heimatort
der Verurteilten. Nach dem Ende der Monarchie wurde bei der Poli-
zeidirektion Wien ein Strafregisteramt eingerichtet.1380 Die erstinstanz-
lichen Gerichte hatten ihm alle rechtskräftigen Verurteilungen durch
Übersendung einer Strafkarte mitzuteilen.1381 Das Strafregisteramt legte
für jede verurteilte Person eine Strafliste an, zusammengenommen bil-
deten die Straflisten das Strafregister. Inländischen Staats- und Sicher-
heitsbehörden hatte das Strafregisteramt kostenfrei Auskunft über die
eine bestimmte Person betreffenden Eintragungen im Strafregister zu
erteilen.1382
Häufig gaben bereits die Anzeigen der Sicherheitsbehörden Auf-
schluss über etwaige Vorstrafen.1383 Fehlten diesbezügliche Erhebungen,
1378 Zur Veränderung der Bedeutung der Strafkarten auch Anonym, Das Recht 1904 / 05,
342.
1379 Verordnung des Justizministeriums vom 8. December 1897, Z. 27904, betreffend
Einführung von Strafkarten und Strafregistern, JVBl 1897 / 47.
1380 Verordnung der Bundesministerien für Inneres und Unterricht und für Justiz vom
10. Dezember 1920 über das Strafregister und die Benachrichtigung der Verwal-
tungsbehörden von strafgerichtlichen Verurteilungen ( Strafregisterverordnung ),
BGBl 1920 / 39.
1381 Um die statistische Erfassung zu erleichtern, wurden für die Verurteilung wegen
Verbrechen oder Vergehen bei Männern weiße und bei Frauen blaue Strafkarten
verwendet, bei Verurteilung wegen einer Übertretung verwendete man bei Män-
nern gelbe und bei Frauen grüne Strafkarten, siehe Erlass des Bundesministeri-
ums für Justiz vom 12. Dezember 1920, zur Strafregisterverordnung, JABl 1920 / 17.
1382 Privatpersonen war dagegen keine Auskunft zu erteilen.
1383 Siehe etwa OÖLA, BG / LG Linz Sch 331, 6 Vr 508 / 28, Niederschrift vom 3.April 1928;
OÖLA, BG / LG Linz Sch 342, 9 Vr 649 / 29, Anzeige vom 25. April 1929.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Title
- Verkehrte Leidenschaft
- Subtitle
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Author
- Elisabeth Greif
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 478
- Category
- Recht und Politik