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336 VIII. Hauptverhandlung und Urteil
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
handlungssälen auch Platz für das landesgerichtliche Archiv 1516 sowie
» die hinlänglichen Räume für Gefängnisse. « 1517 War das Landesgericht
bis dahin im Land- und Rathaus untergebracht gewesen, vollzog dieses
» großartige Gerichtsgebäude « 1518 nun auch eine räumliche Trennung
zwischen Justiz und Verwaltung. Mit seiner klaren, strengen Bauweise
versinnbildlichte es den Anspruch der Rechtsprechung auf Objektivi-
tät und Authentizität.1519 Doch nicht nur in der äußeren Gestaltung neu
geschaffener Justizbauten trat die » Stein gewordene Rechtskultur « 1520
zu Tage: Sie äußerte sich ebenso in der Gestaltung der Verhandlungs-
räume, die das erkennende Gericht den Angeklagten gegenüberstellte.
Gleichzeitig wurde die dominierende Stellung der Richter, insbeson-
dere des Vorsitzenden der Hauptverhandlung, durch die – häufig er-
höhte – Position des Richtertisches betont und Parteiöffentlichkeit
und Volksöffentlichkeit streng voneinander getrennt.1521 Am Verfahren
unbeteiligte Personen blieben auf passives Zuhören und Zusehen be-
1516 Vgl Zibermayr Ignaz, Das oberösterreichische Landesarchiv in Linz im Bilde der
Entwicklung des heimatlichen Schriftwesens und der Landesgeschichte ( 1950 ) 159.
1517 Donau-Zeitung vom 31. Juli 1859. Die Gefängnisse wurden durch die in den Jahren
1861–64 erbaute Justizanstalt ergänzt, die unmittelbar an das Landesgericht an-
schloss und als modernstes Gefängnis der österreichisch-ungarischen Monarchie
galt. Auch für die in der Dezemberverfassung 1867 garantierten » Schwurgerichts-
Verhandlungen « wurde die räumliche Ausstattung des Gerichtsgebäudes als » vor-
läufig zureichend « erachtet und » auf die Benutzung der Prunnerstifts-Lokalitäten
zu dem angedeuteten Zweck nicht weiter reflektirt «, Tagespost vom 13. Mai 1868.
1518 Donau-Zeitung vom 31. Juli 1859. Die oberösterreichische Handels- und Gewer-
bekammer zeigte sich dagegen von dem neuen Gerichtsgebäude weniger beein-
druckt. In ihrem Hauptbericht verwies sie darauf, das Bauwerk sei » ohne Ein-
vernehmung von Privat-Sachverständigen « zustande gekommen, darüber hinaus
erübrige sich ein weiteres Eingehen auf die Gestaltung des Bauwerks, » nachdem
es sich Jedermann besehen kann. «, Hauptbericht der Handels- und Gewerbekam-
mer fĂĽr das Erzherzogthum Oesterreich ob der Enns fĂĽr die Jahre 1857, 1858 und
1859 ( 1860 ) 131 f ( Hervorhebung im Original ). Die Tages-Post zählte den » Justizpa-
last in der Welsergasse « zu jenen Gebäuden, die » nur der äußersten Nothwendig-
keit abgerungen « worden waren, Tagespost vom 24. April 1868.
1519 Zur Architektur von Gerichtsgebäuden siehe Gephart Werner, Recht 238 ff.
1520 Vgl Gephart Werner, Recht 241, der von » versteinerter Rechtskultur « spricht.
1521 Ab 1930 bestimmte die Geschäftsordnung für erst- und zweitinstanzliche Gerichte,
dass bei der Einrichtung von Verhandlungssälen und -zimmern » auf die Würde
des Gerichts und die den Parteien zukommende Stellung Bedacht zu nehmen «
sei, § 59 Abs 1 Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 1. März 1930, womit
im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministern und dem Rechnungshofe
eine neue Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz ( Geo.) erlassen wird,
BGBl 1930 / 74.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Title
- Verkehrte Leidenschaft
- Subtitle
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Author
- Elisabeth Greif
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 478
- Category
- Recht und Politik