Page - 5 - in Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume I
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Einlei«ung.
fragte, ob Grillparzer nicht selbständig etwas
Traniatisches geschaffen — und dieser teilte ihm
den Plan zu einem Drama mit, der ihn gerade
beschäftigte. Eine franzüfische Räubergeschichte
und ein deutsches Volksmärchen, oder vielmehr
ein ^eih!.'i>.>lwt!,elei,schnw!e>.^ „Die blutende Ge-
stalt mit Nolch und Lampe", die er beide mit-
einander verschmolz, hatten ihm den Stoff ge-
geben, TchreiM'gel riet, den Plan auszuführen
uud war mit dem erste» Akt, den ihm der Dichter
dann mitgeteilt, durchaus einverstanden. In
nicht mehr als fünfzehn oder sechzehn Tagen
schrieb dieser unn das Stück, unter dem Drang
Feder ,',u diktieren schien — und so entstand „Die
Ahufrau",
Nies Drama war die Grundlage seines
Dieblerruhms, Jahrzehnte hindurch wurde Grill-
parzer nur als Dichter der „Ahnfrau" gelaunt
und genanut, nicht nur in den Schultonipeiidien
del' Literatur, sondern auch von den namhaftesten
Literarhistorikern wie Gervinus, welcher ihn
bei ,,3appho" nnd „Medea" bei flüchtiger Er-
wähuung mit der „Ahufrau" in einen Topf
wirft. Ob dies Drama eine Schicksalstragödic
ist, wie die Dramen Müllners, Werners, Hou-
wliid-.' ^ darüber hat fich unter den Litcrar-
Iiistorikcrn uud Philosophen eine lebhafte De-
batte entsponnen, Grillftarzer und der Heraus-
geber seiner Werke, Laube, leugnen die Zuge-
hörigkeit dcs Stückes zu jener verurteilten und
vergessenen Richtung! doch einer der geistvollsten
semem'Werke: „Franz Wrillparzer als Dichter
des Tragischen", der eine tiefgehende Abhand-
lung über diese Frage geschrieben, tmnmt zu
macht in der „Schuld" und im „vicruudzwauzig-
sten Februar" in d?u wesentliche,, Zügen übcr-
cin; nur gebärde es sich nicht in eiuer so un»
vernünftigen, krassen, äußerlichen uud läppischen
sei dies Schicksal wesentlich ein den Nachkommen
für die Sünden der Vorfahren treffender Fluch;
wohiu auch das Übertragen nnd bewußte Wollen
die Menschen ziehe und wie sehr beides auch sich
sträube, es helfe nichts: das von jener Macht
vorher bestimmte Los verwirkliche fich doch. Will
mau aber deu Schicksalsgedanken aus dem
Drama ansstreichen, so bleiben nur unerhörte
Zujälügleiten übrig. Unhaltbar ist es, von einer
Vererbung der Antriebe znm Bösen zu sprechen;
davou ist in dem Schauspie! nicht die Rede; was
sich vererbt, ist nur der alte Fluch,
>"nl!parzcr war in jener Zeit, als er die
„Ahufrau" dichtete, von einer wahren Lesewut
beialleu. Die Räuber- und Gcistergeschichteu der
Le,>,^idliotl,eten waren seine Liebliugslettüle, er
ie^m deleuut ja, daß er hier die Motive der
Ahufrau eutuommcn. Die beiden vorher er-
wähnten Geschichten, die Liebe des Räubers und die nmhcrwandelnde, der Enkeltochter ähnlich'
Ahnfrau mußte er zusammen bringen; uud als
er das ergänzende Band für beides fuchte, da
der letzten dramatischen Erzeugnisse, 18l5 war
Werners „vierundzwanzigsterFebruar" erschienen,
1816 Müllncrs „Schuld"; 1817 erschien die Ahn-
richtung, Die Schicksnlsidce als solche kümmerte
deu Dichter nicht; aber er brauchte sie, um zwei
spannende Motive miteinander zn verknüpfen.
Über der Ahnfrau felbst waltet eine höhere un-
sichtbare Macht; fie felbst ist uicht ein Gespenst,
stalt, auf deren Schicksal wir gespauut sein
müssen; denn sie selbst ist der Erlösung be-
dürftig nud ficht ihr cntgege», wenn das Haus
Schicksalstragödie, nur als ciu Gespeustcrstück,
das eine gruselige Wirkung ausübt; die uube»
fnngenc Kritik hat aber stets aucrkenncn müssen,
daß dies Drama, so wenig man mit seinen
Voraussetzungen einverstanden sein mag, von
auch heutzutage keinen jugeudlichcn Liebhaber,
für welchen der Iaromir nicht eine willkommene
Aufgabe wäre, Grillparzer selbst hielt stets große
Stücke auf die „Ahnfrau" und mit Recht; die
elementare Gewalt des Affekts und der Leiden-
Veise erreicht und die Sprache wird, trotz der
oft lahmenden Wiederholungen, die der vicr-
füßige Trochäus mit sich bringt, von einem
Zauber der Inspiration beherrscht, welche stets
das glückliche, oft das bleibende Wort in die
Vorstellung anwesende Dichter anderer Ansicht
war. Auch blieb das Theater bei der ersten
Wiederholung leer; doch später machte das Sti ck
volle Häuser und trat bald einen sieghaften
Etwas wie Leihbiblwthetenduft haftete dem
Stoffe der „Ahnfrau" an, Grillparzcr selbst hatte
diesen Eindrück bei der Aufführung; er suchte
nach eine», einfachen Stoffe, der fein schönes
Talent allein ohue krasse Bülmeucffekte zum
Siege führen tonnte. Der Zufall kam ihm dabei
begegnete ihm ein Nr, I M , der ihm mitteilte,
der Kapellmeister Weigl suche einen ^pernterl,
Grillparzer wäre dazu geeignet; einen Stoff
meinte, das sei vielleicht ein für ein Trauerspiel
geeigneter Stoff, Sofort schlug der Gedanke
bei ihm Wurzeln; bei seinem Lustwaudelu ini
Prater beschäftigte sich seine Phantasie damit,
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume I
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- I
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.7 x 17.1 cm
- Pages
- 600
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Einleitung
- I. Dramen 14
- Die Ahnfrau (1817) 17
- Sappho (1819) 50
- Das goldene Vließ (1822) 89
- König Ottokars Glück und Ende (1825) 169
- Ein treuer Diener seines Herrn(1830) 222
- Des Meeres und der Liebe Wellen (1840) 262
- Der Traum ein Leben (1840) 300
- Melusina. Romantische Oper (1833) 339
- Weh dem der lügt, Lustspiel (1840) 355
- Die Jüdin von Toledo 393
- Ein Bruderzwist in Habsburg 424
- Libussa 473
- Fragmente 515