Page - 21 - in Guido Adlers Erbe - Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
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© 2017, V&R unipress GmbH, Göttingen
ISBN Print: 9783847107217 – ISBN E-Lib: 9783737007214
Historische, Systematische und Vergleichende bzw. EthnologischeMusikwis-
senschaft schonrechtnahekam.18
Im selben Jahr 1885machteAdler einenwichtigen Schritt in seiner akade-
mischen Karriere: er wurde auĂźerordentlicher Professor an der Deutschen
Universität inPrag.ZuseinenFürsprecherninderFakultät zähltenErnstMach
(1838–1916) und Carl Stumpf (1848–1936), während der Dekan selbst, als
Kunsthistoriker immerhin Vertreter der Schwesterdisziplin, die Bemerkung
gemachthabensoll: „Was soll unsderKlavierspieler?“AdlersbeständigeAus-
einandersetzung mit Fragen einer eigenständigen musikwissenschaftlichen
Methodik, die –nachdemVorbildderNaturwissenschaften–der jungenUni-
versitätsdisziplin erstwissenschaftlicheDignität verleihe,wurzelt nicht zuletzt
imBemühen,musikwissenschaftlichesSchreibenvonanderenallgegenwärtigen
Formendesästhetischen,populärenoderbloßbiographischenSchreibensüber
Musik abzugrenzen, zu dem sich in den Musik liebenden Metropolen der
Habsburgermonarchie bald jemand berufen fĂĽhlte, nicht zuletzt dieMusiker
selbst. So entstand die von ihm entwickelte Methode der Stilkritik mit ihrer
Konzentration auf das Werk und ihrem Anspruch, naturwissenschaftlichen
Gesetzen vergleichbare Stilgesetze aufzufinden, die in entwicklungsgeschicht-
licher Perspektive eine Abfolge von Epochen-, National-, Personal- und Gat-
tungsstilen fixieren.
WährendAdlers Tätigkeit in Pragmangels geeigneter Infrastruktur einge-
schränktbleibenmusste–praktischeÜbungenhielt er in seinerWohnungab,
beimStudiumwarmanprimäraufseinePrivatbibliothekangewiesen19–,ginger
nachseinerBerufungandieUniversitätWienimJahre1898zielstrebigundmit
derihmeigenenZähigkeitdaran,einvollgültigesInstitutaufzubauen.AlsFrucht
unzähliger Eingaben und Bettelbriefe erhielt er von öffentlicher wie privater
Seite die nötigenGeldmittel undSachspenden, um inwenigen Jahren einebe-
achtlicheBibliothekaufzubauenunddas Institut sukzessive auchmitPersonal
18 Der heutemeist Ethnomusikologie genannte dritte Teilbereichwurde vonAdler unter der
Bezeichnung„Musikologie“nochderSystematikzugeordnet.Adler:Umfang,Methodeund
Ziel (Anm.17), S. 14und17. SiehedazuBarbaraBoisits:Historisch/systematisch/ethnolo-
gisch:die(Un-)OrdnungdermusikalischenWissenschaftgesternundheute.In:Historische
Musikwissenschaft. Grundlagen und Perspektiven. Hg. vonMichele Calella undNikolaus
Urbanek. Stuttgart,Weimar:Metzler 2013, S. 35–55.ZurBedeutungderVierteljahrsschrift
fĂĽr Musikwissenschaft fĂĽr die Professionalisierung als akademisches Fach siehe Barbara
Boisits:DieVierteljahrsschrift fürMusikwissenschaft (1885–1894).DerVersucheiner jun-
genDisziplin, wissenschaftlicheDignität zu erlangen. In:Wissenschaftliche Forschung in
Österreich 1800–1900. Spezialisierung, Organisation, Praxis (Schriften des Archivs der
UniversitätWien21).Hg.vonChristineOttner,GerhardHolzerundPetraSvatek.Göttingen:
ViennaUniversityPress2015, S. 215–237.
19 Adler:WollenundWirken(Anm.1), S. 35.
ZurPersönlichkeitGuidoAdlers 21
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Guido Adlers Erbe
Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Title
- Guido Adlers Erbe
- Subtitle
- Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Editor
- Stefan Alker-Windbichler
- Murray Hall
- Markus Stumpf
- Publisher
- V&R unipress GmbH
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0721-4
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Political Science, National Socialism, Nazi-looted, musical life, provenance research, Nationalsozialismus, NS-Raub, Musikleben
- Category
- Kunst und Kultur