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© 2017, V&R unipress GmbH, Göttingen
ISBN Print: 9783847107217 – ISBN E-Lib: 9783737007214
führte er darin aus, würdendie Schätze derVergangenheit so reichunduner-
schöpflichausgebreitetdaliegenwieaufdemGebietderMusik.Siezuhebenund
an das Volk heranzutragen, sei die wichtigste und lohnendste Aufgabe. Die
großenMeister der Vergangenheit seien nämlich Repräsentanten der wahren
Majestät des Volkes, denen Ehrfurcht und Achtung gezieme. Als Kinder des
deutschenVolkes seien sie damit auch die eigentlichenMajestäten desVolks-
tums, inWahrheit vonGottesGnadenunddazubestimmt, denRuhmunddie
EhrederNationzuerhaltenundzumehren.
Die„großenMeisterderVergangenheit“warenaberlängstdiebestimmenden
ReferenzfigureninderhistorischenFormierungdes„MusikstadtWien“-Bildes.
WieNußbaumer aufzeigte, hatte das „Gedenken“ an „großeMeister“ inWien
bereits zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und dem ErstenWeltkrieg
Hochkonjunktur: Die Errichtung von Komponistendenkmälern,12 die Abhal-
tung vonopulentenTondichter-Jubiläumsfeiern13oderdieGründungvonMu-
sikergedenkstätten14 sind Ausdruck davon, auch wenn zu betonen ist, dass
solcheMusikfeierndamalsundbiszumErstenWeltkriegnochzumgrößtenTeil
aufprivate Initiativenzurückgingen.15ErstnachdemErstenWeltkrieg erfolgte
die Einschreibung „großer Meister“ in die „Musikstadt“-Erzählung immer
stärker als städtischundstaatlichorganisiertesProgramm.16Außerdemerhielt
die„Musikstadt“nach1918eineumsoklarere„deutschnationale“Codierung,17
die vom „Austrofaschismus“ in eine „deutsch-österreichische“ umgefärbt
wurde.18
DienationalsozialistischeKulturpolitikknüpfte1938darananundgestaltete
die staatliche Organisation der „Musikstadt“-Programmierung entsprechend
der traditionellen Codierungen. Was die „deutsch-österreichische“ betrifft,
operierte der Nationalsozialismus an einer exklusiv auf Wien fokussierten
sozialeundpolitischeWandlungsprozesse inderModerne.Hg. vonSabineMeckingund
YvonneWasserloos.Göttingen:V&Runipress 2012, S. 175–213,hier S. 180.
12 Detailliert beiNußbaumer:Musikstadt (Anm.4), S. 92–153.
13 Detailliert ebd., S. 166–215.
14 Detailliert ebd., S. 154–161.
15 Vgl. ebd., S. 358.
16 Gabriele Johanna Eder spricht der Musik in der Ersten Republik eine „staatstragende
Funktion“zu,vgl.Gabriele JohannaEder:WienerMusikfeste zwischen1918und1938.Ein
Beitrag zurVergangenheitsbewältigung.Wien, Salzburg:GeyerEdition1991 (=Veröffent-
lichungenzurZeitgeschichte6), S. 20.
17 Vgl.Mayer-Hirzberger:„Volk“(Anm.6),S. 37f.NachMayer-HirzbergeristdieTrennschärfe
zwischendenBegriffender „MusikstadtWien“unddem„MusiklandÖsterreich“überdies
geringfügig– sie seienalsTopoi „beinaheaustauschbar“ (S. 23).
18 ZurVerdichtungderTopoi des „MusiklandesÖsterreich“ bzw. der „MusikstadtWien“wäh-
renddes „Austrofaschismus“ vgl. Szabj-Knotik:Musikstadt (Anm.5), S.279f. Schuschnigg
versuchte insbesondere kulturpolitisch,Österreich als „deutschenGegenstaat“ zu propa-
gieren.
„MusikstadtWien“-Toposals Instrument 35
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Guido Adlers Erbe
Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Title
- Guido Adlers Erbe
- Subtitle
- Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Editor
- Stefan Alker-Windbichler
- Murray Hall
- Markus Stumpf
- Publisher
- V&R unipress GmbH
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0721-4
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Political Science, National Socialism, Nazi-looted, musical life, provenance research, Nationalsozialismus, NS-Raub, Musikleben
- Category
- Kunst und Kultur