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© 2017, V&R unipress GmbH, Göttingen
ISBN Print: 9783847107217 – ISBN E-Lib: 9783737007214
denkstätten, die nicht weniger als neun Stationen umfasste.31Das 1912 zum
StillstandgekommeneProjektderMusikergedenkstätten32hatteerstmalswieder
Konjunktur.AuchHaydnundBeethovenwurdenanlässlichderMozart-Woche
neueGedenkräume gewidmet, undwenn auchMozart zweifellos imZentrum
stand, ist der Fokus auf diese „Dreiheit“ als eine im Zeichen der „Wiener
Klassik“ stehende Erinnerungskonstruktion zu lesen.33 Kuratiert wurden die
Ausstellungenzwar vonderLeitungder StädtischenSammlungen, aber eswar
BaldurvonSchirachpersönlich,derdieProjekteüberwachteundsteuerte.34Und
erwaresauch,dermitGoebbelszusammendie„Schirmherrschaft“derMozart-
Woche innehatte.
MultiplepolitischeAufladungendes„Musikstadt“-Topos
DiekulturpolitischenRedenderbeidenhochrangigenReichsvertreteranlässlich
dieserMozartgewidmetenVeranstaltungenmachenexemplarischdeutlich,wie
multipel die „Musikstadt“ mit politischen Aufladungen inzwischen versehen
werdenkonnte. ImKontextderMozart-HuldigungenwurdesiegewissermaĂźen
zueinemKriegsschauplatzfunktionalisiert,aufdemSchirachundGoebbelseine
Schlacht um die „deutsche Musik“ simulierten – als zynische Sublimierung
realenKriegsgeschehens, wie die zahlreichenBezugnahmen in denReden auf
dieses verdeutlichen. Schirach mobilisierte die „Hauptstadt der deutschen
Musik“35alskulturellesBollwerkgegendieKriegsgegnerundbetonte, imKrieg
bedeute die Beschwörung von Mozarts Geist eine Handlung im Sinne der
kämpfendenSoldaten.DennwerfürDeutschlanddasSchwertziehe,derziehees
auchfĂĽrMozart.36Goebbelsverzichtete inseinerAnsprachehingegenaufeinen
expliziten „Musikstadt“-Bezug– erdürfte nicht unnötigeKonkurrenz zu „sei-
nem“ Berlin geschürt haben wollen, wie unten noch näher ausgeführt wird.
Dochwie Schirach bediente er sichmit Bezug aufMozart derKriegsrhetorik:
SeineMusikgehöremit zudem,wasdiedeutschenSoldatengegendenwilden
AnsturmdesöstlichenBarbarentumsverteidigten.37
31 Vgl.WienerVerkehrs-Verein (Hg.):Ratgeber fĂĽrdieBesucherderMozartwochedesDeut-
schenReiches inWien: 28.Novemberbis 5.Dezember 1941.Wien:Heimat-Druck [1941].
32 Vgl.NuĂźbaumer:Musikstadt (Anm.4), S. 156.
33 Vgl.Trümpi:Komponisten (Anm.29), S. 223–226.
34 WilhelmDeutschmann:DieStädtischenSammlungeninderZeitdernationalsozialistischen
Herrschaft.UnveröffentlichtesManuskript [1996], S. 9.
35 Baldur vonSchirach:Rede zurEröffnungderMozartwoche 1941.Weimar:Ges. d. Biblio-
philen1943,S. 7.
36 Ebd., S. 8.
37 JosephGoebbels:Ansprachezum150.TodestagWolfgangAmadeusMozarts inderWiener
FritzTrĂĽmpi38
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Guido Adlers Erbe
Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Title
- Guido Adlers Erbe
- Subtitle
- Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Editor
- Stefan Alker-Windbichler
- Murray Hall
- Markus Stumpf
- Publisher
- V&R unipress GmbH
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0721-4
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Political Science, National Socialism, Nazi-looted, musical life, provenance research, Nationalsozialismus, NS-Raub, Musikleben
- Category
- Kunst und Kultur