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© 2017, V&R unipress GmbH, Göttingen
ISBN Print: 9783847107217 – ISBN E-Lib: 9783737007214
schaft – eine verspätet Disziplin?,11 das inmehreren Beiträgen die Beziehung
zwischenMusikwissenschaftlernundpolitischerMacht, in einemBeitrag spe-
zifisch zum Nationalsozialismus, thematisierte. Die rasche Entwicklung der
Forschung zumThema deutscheMusikwissenschaft undNationalsozialismus
zeigt die Differenz zwischen Eckhard Johns 1996 durchaus noch zutreffender
Einschätzung, dass „eine Auseinandersetzung mit dieser Zeit bis jetzt kaum
stattgefundenhabe“,12unddemnursechs JahrespäterpubliziertenBefunddes
Tagungsleiters AnselmGerhard, der „[d]ie Rolle der universitärenMusikwis-
senschaft im sogenannten Dritten Reich […] als leidlich gut erforscht“ cha-
rakterisiert, unddenForschungsstand als „zwar längst nicht in jederHinsicht
befriedigend, aber imganzendochbeeindruckend“beschreibt.13
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Erforschung der Ge-
schichteder akademischenMusikwissenschaft imNationalsozialismus imVer-
gleich zu anderen Disziplinen durchaus „verspätet“ erfolgte. Dabei hat es an
Anregungen zum Thema keineswegs gefehlt. Abgesehen von dem bereits er-
wähnten auszugsweisenWiederabdruck vonGerbersAufgaben derMusikwis-
senschaft imDrittenReichhättemanauchdie ImpulsederheftigenReaktionen
auf Clytus Gottwalds Beitrag über Heinrich Besseler (1900–1969) aufnehmen
können,14dessenAndeutungenüber ideologischeHintergründe vonBesselers
Forschungsarbeiten bei dessen Schülern und Kollegen große Empörung aus-
gelöst hatte.15 Die ebenfalls in den 1970ern publizierten englischsprachigen
Aufsätze vonMichaelMeyerwirktenhingegenvielleicht auchdeshalbweniger
provokant,daMeyeraufdasNennenvonNamenverzichteteundohnekonkrete
Beispiele Thesen über die gesellschaftliche Rolle der Musikwissenschaft als
Disziplin innerhalb des totalitär strukturierten Dritten Reichs entwickelte.16
11 Berichtdazu:HeidyZimmermann:Bern, 14. bis 16.November1996:Kolloquium„Musik-
wissenschaft – eine verspätete Disziplin?“ In: Die Musikforschung 50 (1997), Nr. 2,
S. 228–229.
12 Ebd., S. 229.
13 Anselm Gerhard: Musikwissenschaft. In: Hausmann (Hg.): Die Rolle der Geisteswissen-
schaften imDrittenReich (Anm.3), S. 165–192,hier165–166.
14 Vgl. Clytus Gottwald: Musikwissenschaft und Kirchenmusik. In: Carl Dahlhaus, Hans
JoachimMarx,MagdaMarx-Weber, GuntherMassenkeil (Hg.): Bericht über den Inter-
nationalenMusikwissenschaftlichenKongreß, Bonn 1970. Kassel u a.: Bärenreiter 1971,
S. 663–672.
15 Vgl. PamelaM. Potter: Creating a concept of „NaziMusicology“. In:Melania Bucciarelli,
Berta Joncus (Hg.):Music as social and cultural practice.Woodbridge: Boydell& Brewer
2007,S. 374–390,hierS. 380,Gerhard:Musikwissenschaft (Anm.13),S. 168.Einedurchaus
differenzierteDarstellungvonBesselersVerhältniszumNationalsozialismusleisteteThomas
Schipperges: Die AkteHeinrich Besseler.Musikwissenschaft undWissenschaftspolitik in
Deutschland 1924 bis 1949.München: Strube 2005 (=Quellen und Studien zurMusik in
Baden-Württemberg7).
16 Vgl.MichaelMeyer:TheNaziMusicologistasMythMakerintheThirdReich.In: Journalof
Das Institut fürMusikwissenschaft anderUniversitätWiennachGuidoAdler 49
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Guido Adlers Erbe
Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Title
- Guido Adlers Erbe
- Subtitle
- Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Editor
- Stefan Alker-Windbichler
- Murray Hall
- Markus Stumpf
- Publisher
- V&R unipress GmbH
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0721-4
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Political Science, National Socialism, Nazi-looted, musical life, provenance research, Nationalsozialismus, NS-Raub, Musikleben
- Category
- Kunst und Kultur