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174 V. Schlussbetrachtung
orientierten Satzungen enthalten sowohl Bestimmungen zum finanziellen Rahmen der
Gesellenschaften (Gesellenbüchsen und Einzahlungsmodalitäten mit Strafzahlungen),
zur Krankenversorgung, die laut den erhaltenen Ordnungen im Untersuchungszeitraum
großteils durch Darlehenszahlungen an den erkrankten Gesellen erfolgte, zum Begräbnis-
wesen, zur Messfeier und zur Teilnahme der Gesellen an der Fronleichnamsprozession.
Die Zechen und Gesellenschaften achteten offenbar auch auf angemessenes Verhalten
der Gesellen in der Öffentlichkeit: Handgreiflichkeiten im öffentlichen Raum, übermäßi-
ger Weingenuss in Wirtshäusern und bei den Gesellenversammlungen sowie der zu aus-
schweifende Umgang mit Prostituierten wurden streng bestraft.
Im Gegensatz zu den Gesellen – bei denen die bruderschaftlichen Bestimmungen ei-
nen großen Platz einnehmen – informieren die Ordnungen des HWOB in Bezug auf
die Handwerksmeister weniger über die religiös-karitative Seite der Meisterzechen. Das
größte Regelungsbedürfnis dürfte hier in Bezug auf die Voraussetzungen zur Erlangung
der Meisterschaft bestanden haben. Schon die ältesten im HWOB enthaltenen Ordnun-
gen gehen explizit auf diese ein. Im Laufe der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ent-
wickelte sich diesbezüglich ein regelrechtes Formular, das besonders im 15. Jahrhundert
durch zusätzliche Voraussetzungen erweitert wurde. Der umfangreichste Forderungskata-
log, wie er sich endgültig um die Mitte des 15. Jahrhunderts darstellt, umfasst die Nach-
weise der Herkunft, eines guten Leumunds, der ehelichen Geburt, des Ausdienens der
Lehrjahre und der Eheschließung, ebenso wurden der Erwerb des Bürgerrechts und der
Eintritt in die Zeche vorausgesetzt. Zusätzlich mussten die Meisterschaftsanwärter auch
ihre Fertigkeiten nachweisen: Im HWOB gibt es vielerlei Beispiele für genau festgelegte
Meisterstücke, die der Kandidat innerhalb eines festgesetzten Zeitraums den Zech- oder
Beschaumeistern, den wichtigsten Amtsträgern der Meisterzechen, vorlegen musste.
Die Zuständigkeiten der Zechmeister waren darüber hinausgehend vielfältig. Zum
einen waren sie für die finanziellen Angelegenheiten der Zeche verantwortlich, kontrol-
lierten die Zechbüchse und nahmen Zecheintritts-, Beitrags- und Strafgelder ein. Zum
anderen kümmerten sie sich um das Begräbniswesen und die Messfeierlichkeiten der Ze-
chen sowie in vielen Fällen auch um die Organisation des gemeinsamen Einkaufs von
Werkzeug und Arbeitsmaterialien durch die Zechmitglieder. Die Beschaumeister – von
denen bereits in der ältesten im HWOB enthaltenen Ordnung für die Zaumstricker von
1364 die Rede ist – waren für die Qualitätssicherung der in ihrem Handwerk hergestell-
ten Produkte und für die Meisterprüfung zuständig. Im Laufe des 15. Jahrhunderts über-
nahmen die Zechmeister laut einzelner Ordnungen mitunter diejenigen Agenden, die
ursprünglich den Beschaumeistern zugestanden waren. Während die Informationen zu
den Meisterschaftsvoraussetzungen und zu den Zech- und Beschaumeistern – vor allem
die wirtschaftliche Seite der Zechen betreffend – reichlich vorhanden sind, schweigt das
HWOB weitgehend über die religiös-karitativ-bruderschaftlichen Bereiche der Meisterze-
chen. Die wenigen im HWOB enthaltenen diesbezüglichen Ordnungen lassen jedoch ein
ähnliches Bild erkennen, wie es bei den Gesellen bereits besprochen wurde, vor allem was
regelmäßige Messfeiern und das Begräbniswesen der Zechen betrifft.
Zu den kollektiven Sicherungsmaßnahmen der Zechen zählen auch Bestimmungen
über die Weiterführung der Werkstatt durch eine Meisterwitwe. Manche Handwerke er-
laubten eine uneingeschränkte Weiterarbeit der Witwe, einige Beispiele belegen jedoch
merklich, dass die Wiederverheiratung durch Vergünstigungen für den neuen Ehemann
im Bereich des Meisterschaftserwerbs oder des Zechbeitritts erleichtert wurde. Eine zeit-
liche Begrenzung für den Verbleib im Witwenstand – in diesem Fall von einem Jahr – ist
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen