Page - 15 - in Österreich-Ungarns imperiale Herausforderungen - Nationalismen und Rivalitäten im Habsburgerreich um 1900
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© 2020, V&R unipress GmbH, Göttingen
ISBN Print: 9783847110606 – ISBN E-Lib: 9783737010603
AusgreifenaufdemBalkanundentlangderAdriabefürworteten, das aber zu-
gleichmit defensivenNotwendigkeiten derVerteidigung beziehungsweise des
Reichserhaltsbegründeten.DieseDichotomieimGrunderechtminimalistischer
Vorstellungen basierte auf historischen, kulturanthropologischen, ökonomi-
schenund strategischenArgumenten.DieZwiespältigkeit angenommener im-
perialerHandlungsnotwendigkeiten spiegelte der ErsteWeltkrieg prismatisch
wider und unterschied sich damit deutlich von den bisherigen, ,klassischen‘
Imperialkriegen.20Undwoman im 19. Jahrhundert noch vorwiegend an Ein-
flusssphärendachte–etwawiebeimStatusvonBosnien-Herzegowina–,ginges
nach 1914 um zumindest für die Kriegszeit andauernde Annexion, wobei in
Einzelfällenauchschondarüberhinausgedachtwurde.Letzteresauchdeshalb,
weil Wien für die Kriegführung Soldaten und materielle Ressourcen in den
neuenGebieten erschließenwollte. Dass dem aber sowohl die wirtschaftliche
InkompetenzderMilitärswiedieweithin respektiertenvölkerrechtlichenNor-
men entgegenstanden, bedeutete neue, unlösbare Herausforderungen. Das
Beispiel Serbienverdeutlichtdie IrrwegekurzfristigerundprovisorischerPoli-
tik.21
DochÖsterreich-Ungarn eroberte auch südlich davon sowie in Rumänien
undtief inrussländischemTerritoriumGebiete, insbesondere inPolenundder
Ukraine. Stephan Lehnstaedt nimmt in seinemBeitrag diese letztendlich nur
kurz besetzten Territorien vergleichend in denBlick und zeigt, dass die wirt-
schaftlicheNutzbarmachung angesichts des drückendenKriegs dieOkkupati-
onspolitikzueinemhohenMaßebestimmte.DochadministrativeInkompetenz
verhinderteeineeffektiveAusbeutung,sodasssichdasräumlicheAusgreifenals
großeLast erwies–aber zugleichnotwendigwar, umüberhaupt aneinenSieg
denken zu können. Die imperialenHerausforderungen blieben also an dieser
Stelle eineÜberforderung.
Dochnichtnur inden frischerobertenGebietenrichtete sichdasVerhältnis
zwischenZentren undPeripherie neu aus: Ersterewaren in einembisher un-
bekanntenUmfang auf dieUnterstützung der letzteren angewiesen – in Form
vonRessourcenundSoldaten.FürdieDoppelmonarchiebrachtederWeltkrieg
eine– langegeforderteundgewünschte–Zentralisierung,weil dasMilitärwe-
sentlicheAufgaben imStaateübernahm.Aber das untergrub auch die Loyali-
täten, die auf derhergebrachtenVielvölker-Realität beruhtenund funktioniert
hatten.DasMilitär hatte dieses System schon zuvor abgelehnt – undhandelte
20 TanjaBührer/ChristianStachelbeck/DierkWalter (Hg.), Imperialkriegevon1500bisheute.
Strukturen–Akteure–Lernprozesse,Paderborn2011.
21 JonathanE.Gumz,TheResurrectionandCollapseofEmpireinHabsburgSerbia,1914–1918
(CambridgeMilitaryHistories),Cambridge2009.
Einleitung:Österreich-Ungarns imperialeHerausforderungen 15
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Österreich-Ungarns imperiale Herausforderungen
Nationalismen und Rivalitäten im Habsburgerreich um 1900
- Title
- Österreich-Ungarns imperiale Herausforderungen
- Subtitle
- Nationalismen und Rivalitäten im Habsburgerreich um 1900
- Authors
- Wolfram Dornik
- Bernhard Bachinger
- Stephan Lehnstaedt
- Publisher
- V&R unipress GmbH
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1060-3
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- KUK, K.U.K, Habsburg, Monarchie, Österreich-Ungarn
- Categories
- Geschichte Vor 1918