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Kunst und Kultur
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
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der Bildersturm der böhmischen hussiten 31 Wortes vom Bild, dem mündlichen Sprachaus- druck und der Performanz auf das gedruckte Wort, das immer und überall, ob öffentlich oder privat gleich vorgelesen werden kann. Die zweite Verlagerung, die damit indirekt zusammenhängt, war die vom Bild als einem physischen Objekt auf seinen künstlerischen Wert. Dabei geht es um die Entstehung der Kategorie des autono- men Kunstwerks. Zum eigentlichen Sinn der neuen Kategorie des künstlerischen Bildes wurde allmählich die Möglichkeit eines authentischen persönlichen Erlebens durch den Betrachter, wobei es keineswegs um ein überwiegend religi- öses, sondern um ästhetisches Erleben ging. Zum Vermittler zwischen der überirdischen Sphäre der Bedeutung und dem irdischen materiel- len Gegenstand (Bild, Kunstwerk) wurden der Künstler, sein Ingenium und seine persönliche Fähigkeit, im Bild überpersönliche Inspiration zu realisieren. Paradoxerweise wurde der Künstler dadurch vom Anspruch auf Objektivität befreit, ja vom Anspruch auf sakrale Gültigkeit und Ver- bindlichkeit seines Werks. In den Vordergrund konnte seine Individualität treten, sogar seine Subjektivität, im besten Fall sein Genie. In die- sen Qualitäten sind jetzt die Vermittlungsinstan- zen zwischen überirdischer Inspirationsquelle und Diesseits zu suchen, und derart vermittelt ist eine authentische und verbindliche Form von Repräsentation gar nicht zu erwarten. Das Bild wurde zum „bloßen“ Bild, und als ein solches braucht es weder transzendente noch institutio- nelle Garantien seiner Echtheit. Übrigens sollte sich die Kategorie der Echtheit nach und nach auf die Differenz zwischen dem eigenhändigen Werk des (genialen) Künstlers und seiner unau- torisierten Nachbildung, Kopie oder Reproduk- tion übertragen.12 Ursprünglich war Echtheit im Sinne einer nachvollziehbaren Beziehung zwischen Bild und Abgebildetem verbindlicher Parameter eines Großteils der mittelalterlichen Bilder und jedenfalls aller, die im religiösen Kontext, d.h. im sakralen Milieu, fungierten. In der modernen Kultur sind es photographisch- mechanische Produkte (Paßphotos, Röntgenauf- nahmen usw.), die wir als „wahre“ Bilder anse- hen.13 Dagegen nahmen die Hussiten, genau wie ihre Zeitgenossen, jenes Bild ernst, das Anspruch darauf erhob, heilige Gegenstände und Gestal- ten wiederzugeben – so wie wir den genannten mechanischen Abbildungen vertrauen. Dies war in Erinnerung zu bringen, ehe wir nun feststellen wollen, wie die Menschen des 14. und 15. Jahrhunderts Bilder klassifizierten und welche Bilder es waren, die eine Rolle im sakra- len Zusammenhang spielten. Der konventionelle Sprachgebrauch, der „religiöse Bilder“ sagt und damit faktisch die gesamte Kunstproduktion des Mittelalters meint, ist in ungeeigneter Weise pauschalisierend. Bilder, die für eine eindeutig säkulare Verwendung gedacht waren, müssen in vielfach höherer Zahl entstanden sein, als es ihr heutiger Anteil unter den erhaltenen Kunstwer- ken erkennen läßt. Wenn wir uns der üblichen Schätzung anschließen, wonach insgesamt gera- de etwa 4% der ursprünglich vorhandenen Bilder erhalten sind (das Wort Bild entspricht hier dem mittelalterlichen imago bzw. figura, ohne Rück- sicht auf die Technik; es werden einzelne Bilder im Sinne von Inventarnummern im Museum gerechnet, nicht Gesamtwerke, wie z.B. Altar- retabel, die aus mehreren Einheiten bestehen), findet sich darunter nur ein sehr kleiner Teil ein- deutig säkularer Werke. Sicher trifft es zu, daß im Mittelalter Luxusobjekte in Form von Kunstwer- ken regulär Gott oder einem Heiligen gestiftet 12 H. Belting, Das echte Bild. Bildfragen als Glaubensfragen, München 2005; W. Ullrich, Raffinierte Kunst. Übung vor Reproduktionen, Berlin 2009. 13 B. Latour, What is Iconoclash? Or is There a World Beyond the Image Wars? in: Ders./P. Weibel (Hrsg.), Icono- clash. Beyond the image. Wars in Science, Religion, and Art, Ausstellungskatalog, Karlsruhe, ZKM, Center for Art and Media, 04.05.2002–04.08.2002, Karlsruhe 2002, S. 14–37.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume
LIX
Editor
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2011
Language
German, English
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Size
19.0 x 26.2 cm
Pages
280
Keywords
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Category
Kunst und Kultur
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